Umstrittener slowenischer Regierungschef Jansa übernimmt EU-Ratspräsidentschaft
Begleitet von harscher Kritik und Ermahnungen hat Slowenien am Donnerstag die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Unter dem Motto "Gemeinsam. Resilient. Europa" will die konservative Regierung von Ministerpräsident Janez Jansa die wirtschaftliche Erholung der EU von der Corona-Krise vorantreiben. Kritiker befürchten allerdings, dass Slowenien während der halbjährigen Präsidentschaft nicht neutral agieren wird. Jansa werden eine große Nähe zu Ungarns rechtspopulistischem Regierungschef Viktor Orban sowie Angriffe auf die Bürgerrechte und Pressefreiheit vorgeworfen.
Die slowenische Ratspräsidentschaft folgt auf den portugiesischen EU-Vorsitz. Laut der offiziellen Website für die Ratspräsidentschaft will sich die Regierung in Ljubljana in den kommenden sechs Monaten auch für die "Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der europäischen Werte" in der EU einsetzen.
Dabei wird Jansas Regierung selbst vorgeworfen, es mit den europäischen Grundwerten nicht so genau zu nehmen: Im Streit um ein ungarisches Gesetz zur Einschränkung der Informationsrechte von Minderjährigen zu Homosexualität hatten sich in der EU einzig Ljubljana und Warschau hinter Orban gestellt.
Hinzu kommen aus Sicht der EU bedenkliche Entwicklungen in Slowenien selbst: Kritik übte Brüssel unlängst an der Entscheidung von Jansas Regierung, die Finanzierung für Sloweniens einzige Nachrichtenagentur STA auszusetzen sowie daran, dass Slowenien bisher noch keine eigenen Ermittler für die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) ernannt hat.
In Tweets hat Jansa in den vergangenen Monaten nicht nur kritische Journalisten aus dem In- und Ausland angegriffen, sondern auch EU-Vertreter, insbesondere aus dem Europaparlament. "Wir schulden der EU nichts", schrieb der 62-jährige Regierungschef im Mai, dessen drittes Mandat 2020 begann.
"In einer Zeit, in der der Schutz europäischer Grundwerte von Rechtsstaat und Demokratie ganz oben auf die Agenda gehört, ist Orban-Fan Jansa eine schwere Hypothek für die EU", sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Dass Jansa und Orban Brüder im Geiste sind, zeigt auch ihre geteilte Geringschätzung für die Kontrolle ihrer Macht durch eine unabhängige Justiz und freie Presse."
Die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner warf Jansa vor, die EU-Ratspräsidentschaft "in den Dreck" zu ziehen, "indem er gezielt Presse, Justiz und Zivilgesellschaft attackiert und die Entsendung von Staatsanwälten zur Europäischen Staatsanwaltschaft gestoppt hat". Die EU-Institutionen müssten dringend handeln. "Verstöße gegen die europäischen Grundwerte müssen Konsequenzen haben", betonte Brantner, die CDU und CSU aufforderte, "ihr Verhältnis zu Jansa und die Mitgliedschaft seiner Partei in der EVP zu klären".
Der EU-Vorsitz wechselt alle sechs Monate unter den Mitgliedstaaten. Die Ratspräsidentschaft hat maßgeblich Einfluss auf Themenschwerpunkte und Zeitpläne bei der Beschlussfassung der Mitgliedstaaten. Für Slowenien ist es der zweite EU-Ratsvorsitz seit dem EU-Beitritt des Landes. Zum Auftakt der nun beginnenden Ratspräsidentschaft wird EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Ljubljana erwartet.
(F. Schulze--BTZ)