Debatte um Klimaproteste und Befürchtungen einer Radikalisierung hält an
Die anhaltenden Klimaproteste sowie Befürchtungen einer möglichen Radikalisierung der Protestbewegungen sorgen weiterhin für Debatten. Stimmen von Politikern und Verfassungsschützern, die vor einer Unterwanderung der Klimabewegung durch Linksextremisten warnten, mehrten sich am Freitag. Klimaaktivisten verteidigten sich gegen die Vorwürfe.
"Es ist nicht akzeptabel, wie Polizistinnen und Polizisten pauschal verunglimpft werden und wie ein Teil der Aktivisten nach einer 'Welt ohne Polizei' ruft", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) der "taz". Er die Klimabewegung dazu auf, sich von gewalttätigen Protesten "glasklar" zu distanzieren. "Gewalt ist kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung", betonte der Minister.
In den Fokus der Debatte rückte eine mögliche Unterwanderung der Protestbewegung durch Linksextremisten. "Akteure aus der linksextremistischen Szene versuchen, Einfluss auf Klimaschutzgruppen zu nehmen", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums dem "Handelsblatt". Auch der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, sah "die Gefahr, dass die bisher nicht extremistischen Umwelt- und Klimabewegungen Fridays for Future oder Letzte Generation durch Linksextremisten unterwandert werden".
Warnungen vor einer Vereinnahmung der Klimabewegungen kamen auch aus den Parteien. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sagte dem "Handelsblatt": "Es gibt gewaltorientierte Linksextreme, die versuchen, Teile der Klimabewegung zu unterwandern." Sie nutzten die Bewegung "für ihre verfassungsfeindlichen Bestrebungen".
Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle sprach bei gewalttätigen Protestformen von einem "Nährboden für linksextreme Einflüsse auf die Bewegung". Er befürchtete im "Handelsblatt" ein Wegdriften des berechtigten Klimaschutzes ins "gesellschaftliche Abseits".
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte vor einer Eskalation der Proteste. Wenn Menschen ihre eigene Meinung "verabsolutieren" würden, "dann ist das Klima auf der Straße das Erste - und das Schießen nachher das Letzte", sagte Reul in einem Podcast des "Kölner Stadt-Anzeigers" und des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer wies Vorwürfe des Linksextremismus gegen die Klimaproteste zurück. Sie sagte dem Fernsehsender Welt, Fridays for Future sei eine "durchweg demokratische Bewegung". Statt Konflikte zu lösen, versuchten die deutschen Innenminister hingegen "die Klimabewegung zu kriminalisieren". In den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) betonte sie, die Strategie der Politik könne nicht sein, "gegen immer größere Mengen an engagierten Menschen, immer größere Polizeieinsätze zu fahren".
"Menschen machen sich zu Recht Sorgen, ob und wie die Regierung ihre Klimaziele noch einhalten will", sagte Pauline Brünger, Sprecherin von Fridays for Future, dem RND. Wer Gründe suche, um die Klimabewegung zu diskreditieren, werde "der Lage nicht gerecht".
Auch Linken-Chefin Janine Wissler warnte vor ein Kriminalisierung der Klimabewegungen. "Nicht eine vermeintliche Radikalisierung der Klimaschutzbewegung macht mir Sorgen, sondern die zunehmende Radikalisierung des Klimawandels", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP.
Die Debatte hatte in den zurückliegenden Monaten an Fahrt aufgenommen, als Aktivisten der Letzten Generation wiederholt Straßen, Flughäfen oder Museen blockierten. Die Gruppe kündigte zuletzt eine bundesweite Ausdehnung der umstrittenen Aktionen an.
Die Proteste um die Räumung der früheren Siedlung Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier, bei der es zu Gewalt gegen Polizisten kam, hatte die Debatte um eine Radikalisierung der Klimabewegung im Januar weiter angeheizt.
O. Petrow--BTZ