Airbus und Air France im Rio-Paris-Prozess freigesprochen
Knapp 14 Jahre nach dem Flugzeugabsturz mit 228 Toten zwischen Rio und Paris hat ein Gericht Air France und Airbus vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Die Unternehmen hätten beide "Fehler" begangen, aber es sei "kein direkter Kausalzusammenhang mit dem Absturz" belegbar, sagte die Vorsitzende Richterin Sylvie Daunis am Montag in Paris.
Beim Verlesen des Urteils ging ein enttäuschtes Raunen durch den vollbesetzten Gerichtssaal. Eine Frau, deren Schwester bei dem Unglück ums Leben gekommen war, brach in Tränen aus.
Der Münchener Bernd Gans, der seine damals 31 Jahre alte Tochter Ines verloren hatte, war nicht zur Urteilsverkündung angereist. Er zeigte sich wenig überrascht von dem Freispruch.
"Das war leider abzusehen gewesen", sagte er am Telefon. Die Anwälte der Unternehmen hätten alles getan, "um die Vorwürfe kleinzureden". "Es war ein Kampf Davids gegen zwei Goliaths", sagte er mit Blick auf die beiden Luftfahrtunternehmen, an denen der Staat Anteile besitzt.
Die Richterin zählte in ihrer Begründung eine Reihe von "Fehlern" und "Nachlässigkeiten" auf, für welche die beiden Unternehmen verantwortlich seien. "Airbus und Air France sind zivilrechtlich verantwortlich und müssen den Schaden reparieren", sagte die Richterin.
Damit öffnete sie den Weg für zivilrechtliche Verhandlungen über weitere Entschädigungen, zusätzlich zu den bislang geleisteten. Für den 4. September ist ein erster Gerichtstermin vorgesehen.
So habe Airbus es versäumt, die sogenannten Pitot-Sonden rechtzeitig auszuwechseln, die zum Ausfall der Geschwindigkeitsanzeige geführt hatten. Dies habe die Wahrscheinlichkeit verringert, einen Unfall zu vermeiden, betonte sie. "Der spätere Wechsel der Sonden hat die Zahl der Vorfälle mit vereisten Sonden drastisch sinken lassen", bemerkte die Richterin.
Air France habe seinerseits seine Piloten nicht ausreichend über die möglichen Probleme im Fall vereister Sonden informiert. Es ließe sich jedoch nicht nachweisen, dass diese Fehler eindeutig der Grund für den Absturz gewesen seien, fügte sie hinzu.
"Es heißt, sie seien verantwortlich, aber nicht schuldig. Wir haben aber auf das Wort 'schuldig' gewartet", sagte der Anwalt Alain Jakubowitcz. Philippe Linguet, Vizepräsident des französischen Opferverbands, nannte den Prozess "eine Maskerade" und eine "Schande für die französische Justiz". Es habe einen Freispruch gegeben, "um nicht dem Image der beiden französischen Vorzeige-Unternehmen zu schaden", sagte er.
"Wir haben auf ein gerechtes Urteil gehofft, das war nicht der Fall. Wir sind sehr enttäuscht", sagte Danièle Lamy, Vorsitzende desselben Opferverbands. "Nach 14 Jahren des Wartens bleiben Verzweiflung, Unverständnis und Wut."
Airbus und Air France nahmen das Urteil zur Kenntnis und sprachen den Familien der Opfer erneut ihr Beileid aus.
Bei dem Todesflug waren die Pitot-Sonden vereist, was das Abschalten des Autopiloten zur Folge hatte und Alarm auslöste. Die mit der Situation überforderten Piloten steuerten das Flugzeug daraufhin steil nach oben. Weniger als fünf Minuten später stürzte die Maschine vom Typ A330-203 in der Nacht zum 1. Juni 2009 zwischen Paris und Rio in den Atlantik.
Dabei waren alle 216 Passagiere und die zwölfköpfige Crew ums Leben gekommen. Das Wrack wurde erst zwei Jahre später in etwa 4000 Metern Tiefe gefunden. Ein erstes Verfahren war 2019 eingestellt worden.
Die umstrittenen Sonden hatten schon zuvor zu Problemen geführt. Dies hatte den Verdacht verdichtet, dass die Unternehmen die Gefahr unterschätzt hatten. Die Sonden waren anschließend bei allen Modellen ausgetauscht worden. Das Flugpersonal von Air France wird seit dem Unglück besser für Notsituationen geschult.
P. Hansen--BTZ