Inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Mohammadi zeigt sich in Rede in Oslo unbeugsam
Bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an Narges Mohammadi hat sich die iranische Menschenrechtsaktivistin mit einer kämpferischen Botschaft aus der Haft in Teheran zu Wort gemeldet. In ihrer Preisrede, die am Sonntag bei der Zeremonie in Oslo von ihren beiden Kindern vorgelesen wurde, ging Mohammadi mit dem "tyrannischen und frauenfeindlichen Regime" in ihrem Land hart ins Gericht. Die internationale Gemeinschaft forderte sie auf, sich stärker für die Menschenrechte einzusetzen.
Sie sei eine iranische Frau, die stolz darauf sei, das reiche zivilisatorische Erbe ihres Landes weiterzutragen, "das heute von einem tyrannischen und frauenfeindlichen religiösen Regime unterdrückt wird", erklärte die 51-Jährige in ihrer vor der norwegischen Königsfamilie verlesenen Botschaft, die sie nach eigenen Angaben "hinter den hohen Mauern eines Gefängnisses geschrieben" hat.
Das iranische Volk aber "wird durch seine Beharrlichkeit allen Widerstand und Despotismus beseitigen", gab sie sich zuversichtlich. "Habt keine Zweifel - das ist sicher."
Bei der Zeremonie im Rathaus der norwegischen Hauptstadt blieb ihr Stuhl leer, an der Wand hing ein großes Porträt von ihr. An ihrer Stelle nahmen ihre in Frankreich im Exil lebenden Kinder, die 17-jährige Kiana Rahman und ihr Zwillingsbruder Ali, den Friedensnobelpreis entgegen. Die Rede ihrer Mutter hielten sie auf Französisch.
Narges Mohammadi spielt eine zentrale Rolle im Kampf für Frauenrechte und Meinungsfreiheit in ihrem Land. Sie setzt sich gegen den Kopftuchzwang sowie gegen die Todesstrafe im Iran ein. Dafür wurde sie seit 1998 wiederholt inhaftiert und auch ausgepeitscht.
Seit November 2021 sitzt sie wegen "Propaganda gegen den Staat" erneut in Haft. Derzeit ist sie im Hungerstreik, um auf das Schicksal der religiösen Minderheit der Bahai aufmerksam zu machen, die ihm Iran massiv diskriminiert wird.
Die 51-Jährige unterstützt zudem die Protestbewegung "Frau, Leben, Freiheit", die den Iran nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini erfasst hat. Die 22-jährige Amini war im September 2022 nach ihrer Festnahme wegen eines angeblich zu locker getragenen Kopftuchs gestorben. Nach Angaben ihrer Familie starb sie nach Misshandlungen durch die Sittenpolizei.
Der von der iranischen Regierung angeordnete Kopftuchzwang folge keiner Tradition, sondern sei vielmehr "ein Mittel, die gesamte Gesellschaft zu kontrollieren und zu unterwerfen", erklärte Mohammadi in ihrer Nobelpreisrede. Sie warf den Machthabern in Teheran vor, sich durch Repression, Zensur, Korruption und das Fehlen einer unabhängigen Justiz "von ihrem Volk zu entfremden".
Mohammadi hat ihre Kinder seit bald neun Jahren nicht mehr gesehen. Auf die Frage, ob sie ihre Mutter überhaupt eines Tages wiedersehen werden, antwortete Kiana am Samstag vor Reportern, sie persönlich sei "eher pessimistisch". Ihr Bruder Ali versicherte hingegen, er bleibe "sehr, sehr optimistisch".
Mohammadi ist die fünfte Preisträgerin in der mehr als 120-jährigen Geschichte des Friedensnobelpreises, die während ihrer Haft die Auszeichnung erhält. Sie folgt auf den deutschen Journalisten und Pazifisten Carl von Ossietzky, Aung San Suu Kyi aus Myanmar, Liu Xiaobo aus China und Ales Beliatski aus Belarus.
D. Wassiljew--BTZ