EU geht bei Besteuerung von Internetfirmen in die Offensive
Die EU-Kommission will Digitalkonzerne wie Google und Facebook in Zukunft höher besteuern. Kurzfristig soll eine Umsatzsteuer als Ausgleich für entgangene Steuereinnahmen eingeführt werden und langfristig die Besteuerung von Gewinnen ohne physische Präsenz eines Unternehmens möglich sein, wie EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Mittwoch ausführte. Da viele Internetfirmen aus den USA stammen, könnte der Vorstoß das Verhältnis zu den USA weiter belasten.
"Grundsätzlich sollte die Besteuerung dort geschehen, wo die Gewinne entstehen", sagte Moscovici. Im Fall von Internetfirmen funktioniere dies mit den aktuellen Regeln nicht, da die Unternehmen in den meisten EU-Staaten nicht physisch anwesend und deshalb steuerlich nicht gemeldet sind. Dadurch entstünden erhebliche Steuerausfälle.
So zahlen grenzüberschreitend tätige Internetfirmen in Europa der Kommission zufolge bisher nicht einmal halb so viele Steuern wie herkömmliche Unternehmen. Der effektive Steuersatz liegt demnach nur zwischen 8,9 und 10,1 Prozent. Bei traditionellen Unternehmen, die über Grenzen hinweg tätig sind, sind es dagegen 23,2 Prozent.
Die von der Kommission vorgeschlagene Abgabe soll drei Prozent des Umsatzes der Unternehmen in den Staaten der EU betragen. Betroffen wären Konzerne, deren weltweiter Jahresumsatz mehr als 750 Millionen Euro beträgt, wovon mehr als 50 Millionen durch digitale Dienstleistungen in der EU generiert werden. Die Steuer zielt also in erster Linie auf Internetriesen wie Google, Facebook und Amazon ab.
Die Mehrheit dieser Unternehmen kommt aus den USA. Der Vorschlag der Kommission belastet deshalb das wegen der anstehenden US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium bereits angespannte Verhältnis mit Washington. US-Finanzminister Steven Mnuchin erklärte kürzlich, Washington sei "strikt dagegen", digitale Unternehmen speziell zu besteuern. Moscovici beteuerte, dass es sich bei der vorgeschlagenen Steuer nicht um eine anti-amerikanische Maßnahme handle.
"Das ist ein schwieriger und technischer Themenbereich", bei dem es nicht leicht sei, einen Kompromiss zu finden, sagte dazu ein hochrangiger deutscher Regierungsvertreter. Dass die Größen der Digitalbranche US-Unternehmen seien, mache die Sache nicht einfacher.
Moscovici betonte, dass die Umsatzsteuer eine vorübergehende Lösung sei, ein Ausgleich für entgehende Einnahmen bei der Gewinnbesteuerung. Außerdem gehe es darum die Mitgliedsstaaten davon abzuhalten, mit nationalen Regelungen vorzupreschen. Eine "bedeutende Zahl" von EU-Ländern habe bereits eigene Regelungen auf den Weg gebracht, es bestehe die Gefahr einer "Zersplitterung des Binnenmarkts".
Langfristig soll dann wieder zur Gewinnbesteuerung zurückgekehrt werden. Die Kommission schlägt dafür die Einführung des Konzepts der digitalen als Ergänzung zur physischen Betriebsstätte vor. Dann könnten die Mitgliedstaaten bei ihnen generierte Gewinne besteuern, ohne dass die entsprechenden Unternehmen physisch anwesend sind.
Für einen Beschluss sowohl der Steuer als auch einer langfristigen Systemänderung wäre allerdings Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten nötig. Deutschland und andere große EU-Länder wie Frankreich, Italien und Spanien unterstützten grundsätzlich den Vorstoß der Kommission.
Widerstand kam bisher insbesondere aus Irland, wo mehrere große Internetfirmen ihren Sitz haben. Ähnliches gilt für die Niederlande und Luxemburg. Außerdem gilt auch etwa Ungarn nicht als Befürworter, weil es bereits eine eigene Digitalsteuer beschlossen hat.
Von CSU bis zur Linken trifft der Vorstoß der Kommission auf ein positives Echo. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Digitalverband Bitkom warnen hingegen vor dem Risiko einer Verschärfung des Handelskonflikts mit den USA sowie vor negativen Folgen für heimische Internetfirmen.
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisierte den Vorstoß der Kommission. Die Definition einer digitalen Betriebsstätte müsse auf internationaler Ebene durch die OECD geschehen, erklärte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.
(K. Berger--BTZ)