Union und SPD dämpfen Erwartung für kostenlosen Nahverkehr
Verkehrspolitiker von Union und SPD sind im Bundestag dem Eindruck entgegengetreten, die geschäftsführende Bundesregierung plane im Kampf gegen die Luftverschmutzung in Städten einen kostenlosen Nahverkehr. Ein uneingeschränkt kostenloser Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) "kann nicht finanziert werden und ist auch nicht beabsichtigt", sagte der CDU-Abgeordnete Michael Donth. "Aber ein kostenloser ÖPNV an einzelnen bestimmten Tagen mit hoher Schadstoffbelastung könnte eine Variante sein, die vielleicht die ein oder andere Stadt umsetzen möchte."
Auch die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann machte am Donnerstag in einer von der FDP beantragten Aktuellen Stunde deutlich, dass kein Versprechen eines kostenlosen Nahverkehrs gegeben worden sei. Die Überlegungen zu einer Gratis-Nutzung von Bussen und Bahnen sei nur "ein Punkt von mehreren Möglichkeiten" in ausgewählten Modellregionen, sagte sie bei der Debatte im Bundestag. "Es gibt verschiedene Lösungsansätze."
Vergangene Woche war ein Brief von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) an die EU-Kommission bekannt geworden. Darin skizzierten sie ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in deutschen Städten - unter anderem mögliche Gratis-Nahverkehrsmodelle. Getestet werden sollen diese Maßnahmen demnach in den Städten Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic, sagte in seiner Rede, ein kostenloser ÖPNV sei "unrealistisch" und "keine Lösung für das Problem". Vielmehr handele es sich um eine "Verzweiflungstat" der Bundesregierung angesichts drohender Fahrverbote für Dieselautos.
Schon jetzt hätten Besitzer von Dieselfahrzeugen, die für die hohe Stickoxid-Belastung in Innenstädten mitverantwortlich sind, mit Wertminderungen zu kämpfen, kritisierte Luksic weiter. Die Bundesregierung müsse das Vertrauen in die Dieseltechnologie wieder stärken und die Autobauer zu technischen Nachrüstungen bewegen, um den Schadstoffausstoß zu verringern.
Der AfD-Abgeordnete Wolfgang Wiehle sprach mit Blick auf einen kostenlosen Nahverkehr von einer "politischen Utopie", da Fahrgeldeinnahmen von über zwölf Milliarden Euro jährlich ersetzt werden müssten. "Finanzieren wird das natürlich der Bürger über Steuer und Abgaben", sagte Wiehle. Dagegen erinnerte die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Leidig, daran, dass ihre Partei schon seit Jahren für einen Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr werbe. "So könnten wir die klimapolitischen Versprechen einhalten und die Lebensqualität in den Städten verbessern", sagte sie. Die Finanzierung sei lediglich "eine Frage des politischen Willens und der Umverteilung". So könnten etwa die Subventionen für den Diesel gestrichen werden, die acht Milliarden Euro jährlich ausmachten.
Auch der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar forderte, mehr Geld in den ÖPNV zu stecken statt den Preis von Diesel an der Zapfsäule steuerlich zu subventionieren. Mit ihrem Brief nach Brüssel habe die Bundesregierung eine Debatte über kostenlosen Nahverkehr ausgelöst. "Nun müssen auch Taten folgen", sagte er. Stattdessen ruderten Union und SPD aber schon wieder zurück.
(P. Rasmussen--BTZ)