Leipzig: Bundesverwaltungsgericht vertagt Diesel-Fahrverbot
Fahrverbote für Millionen Dieselautos - diese folgenschwere Maßnahme zur Verbesserung der Luft in deutschen Städten hat dem Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag Kopfzerbrechen bereitet. Nach mehrstündigen Verhandlungen verkündete das Gericht am Nachmittag, die vorliegenden Fragen noch einmal "gründlich beraten" zu wollen - ein Urteil zur Rechtmäßigkeit solcher Fahrverbote will es am kommenden Dienstag verkünden. Streitig war, ob Länder Fahrverbote anordnen können, oder ob der Bund am Zug ist.
Am Anfang standen Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in einer Reihe von Städten. Sie will erreichen, dass die Pläne zur Luftreinhaltung dort so geändert werden, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid eingehalten werden. Die Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf hatten geurteilt, dass dafür auch Fahrverbote in Betracht gezogen werden müssen. Die Länder wiederum sehen sich dafür rechtlich nicht zuständig und baten die Richter in Leipzig um Klärung.
Das geltende Gesetz ermächtige nur die Bundesregierung, nicht aber die Landesregierungen zum Handeln, sagten die Anwälte der Länder vor Gericht. Es drohe zudem ein Flickenteppich, wenn jedes Land am Bund vorbei eigene Regeln erlasse. Außerdem fehlten schlicht die nötigen Verkehrszeichen dafür - auch das könne nur der Bund regeln.
Die DUH hielt dagegen: Der Bund sei zwar ermächtigt, aber nicht verpflichtet zum Handeln, sagte Anwalt Remo Klinger. Viel wichtiger sei, dass die seit 2010 geltenden Grenzen für Stickstoffdioxid noch immer nicht eingehalten werden. "Wir haben bei den Grenzwerten eine Ergebnisverpflichtung", sagte Klinger mit Blick auf die Vorgaben seitens der EU. Das Argument, es fehle das nötige Verkehrszeichen, würde beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) wohl "Kopfschütteln" auslösen.
Die Richtlinie der EU zur Luftreinhaltung verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte zu ergreifen. Deutschland droht wegen der Nichteinhaltung eine Klage vor dem EuGH. Um das abzuwenden, hatte die Bundesregierung erst kürzlich eine Reihe möglicher Maßnahmen nach Brüssel gemeldet - darunter einen Testlauf für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr. Die Einführung einer bundesweiten blauen Plakette für schadstoffarme Dieselautos lehnt sie bislang ab.
Ausführlich diskutiert wurde vor Gericht am Donnerstag auch die Frage der Verhältnismäßigkeit. Die Städte verwiesen auf das Recht auf Eigentum - und sehen ein mögliches Verbot von Diesel-Fahrzeugen nur bei Entschädigungen oder einer Übergangsfrist für neuere Diesel als möglich an. Das Urteil aus Stuttgart sei "holzschnittartig", sagte einer der Anwälte. DUH-Anwalt Klinger pochte hingegen auf den Gesundheitsschutz jedes Bürgers, der in der Verfassung ebenfalls einen "hohen Wert" besitze. Die DUH erhofft sich von Fahrverboten auch, dass dadurch der Druck auf die Automobilindustrie zur Nachrüstung der Autos steigt, damit sie letztlich nicht mehr verboten werden müssen. Außerdem würde eine Entscheidung für städtische Fahrverbote die Bundesregierung "zwingen, Städten und Ländern zu helfen, eine einheitliche Regelung zu schaffen", sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch im Gerichtssaal. Zum weiteren Verfahrensverlauf zeigte er sich "optimistisch" - eine Vorlage an den EuGH hält die DUH für nicht sehr wahrscheinlich.
Der Besucherandrang war groß: Das Gericht buchte den größten Saal für die Verhandlung, konnte aber trotzdem nicht alle Anmeldungen für Zuschauer berücksichtigen. Auch für die Presse stellte das Gericht zusätzliche Plätze bereit.
Vor dem Gericht demonstrierten schon am Morgen Umweltschützer für saubere Luft in den Städten. Aktionen gab es von Greenpeace und den Organisationen BUND und Robin Wood. Auch Grüne und Linke waren vertreten, die Fahrradlobby forderte laut klingelnd mehr Radwege statt Fahrverbote. Der ökologische Verkehrsclub VCD reagierte enttäuscht auf die Vertagung des Gerichts. Betroffene, die "tagein, tagaus unter hohen Stickoxidwerten leiden" benötigten rasche Hilfe.
(O. Joergensen--BTZ)