Befürworter der Auto-Kaufprämie erhalten vor Koalitionsausschuss heftigen Gegenwind
Vor den Beratungen des Koalitionsausschusses über die umstrittene Auto-Kaufprämie stehen deren Befürworter im Kreuzfeuer der Kritik. In Berlin bildeten rund 2000 Aktivisten eine Menschenkette durch das Regierungsviertel, um gegen Förderungen für Verbrenner zu protestieren, wie das Netzwerk Campact mitteilte. Scharfe Worte gegen die Prämie kamen aus der Opposition sowie aus Teilen der Unionsfraktion. Verbraucherschützer warnten vor dem Bumerang-Effekt einer Prämie für Benziner und Diesel.
Die Menschenkette in Berlin, zu der unter anderem Verkehrs- und Umweltverbände aufgerufen hatten, führte am Dienstagmittag vom Hauptsitz des Verbands der Automobilindustrie (VDA) bis zum Kanzleramt. Über mehr als zwei Kilometer standen die Teilnehmer. Wegen der Corona-Pandemie waren sie durch Bänder und Fahrräder voneinander getrennt.
Der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub Deutschland (VCD) forderte statt einer reinen Kaufprämie für Autos eine Prämie für umweltfreundliche Mobilität mit Bus, Bahn und Fahrrad. "Es ist skandalös, wie die Autoindustrie mit allen Mitteln versucht, eine Auto-Kaufprämie durchzudrücken, die weder der Wirtschaft noch der Umwelt helfen würde", erklärte die VCD-Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann.
Die Prämie spaltete die Bundesregierung noch wenige Stunden vor dem Beginn des Koalitionsausschusses, bei dem über die Ausgestaltung des Konjunkturpakets beraten werden sollte. Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU), stellte sich mit deutlichen Worten gegen die Hilfe. Es habe kein Verkaufsverbot für Autos gegeben, sagte von Stetten dem Sender RBB. Außerdem beträfen Lieferengpässe auch etwa Waschmaschinen und andere Industriezweige.
Von Stetten beklagte außerdem, dass das Parlament bei der Entscheidung außen vor gelassen werde. Wichtige Entscheidungen fällen demnach derzeit die Ministerpräsidenten zusammen mit der Kanzlerin. Im Grundgesetz habe er nirgendwo eine Runde mit der Bundeskanzlerin und den 16 Ministerpräsidenten als Entscheidungs-Gremium gefunden, sagte von Stetten. "Würde der Bundestag frei über eine Kaufprämie abstimmen können, würde sie nie kommen."
Unions-Fraktionsvize Andreas Jung (CDU) sagte im SWR, Klimaschutz müsse bei einer möglichen Förderung der Autobranche der Maßstab sein. Eine "Abwrackprämie alter Lesart ohne Öko-Anspruch ist ausgeschlossen". Zugleich müssten die Maßnahmen ausgerichtet sein auf die Ankurbelung der Konjunktur.
Einhellige Ablehnung kam aus der Opposition. "Statt mit einer plumpen Subvention für Leute, die sich ohnehin einen neuen Wagen leisten wollen, gravierende Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, braucht der Automobilstandort Deutschland vielmehr eine umfassende Technologieoffensive im Zukunftsbereich des autonomen Fahrens und endlich eine kluge Strategie für alternative Treibstoffe wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe", sagte FDP-Fraktionsvize Frank Sitta der Nachrichtenagentur AFP.
Der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin forderte, dass die Corona-Milliarden "auf keinen Fall zu mehr CO2-Ausstoß" führen dürften. "Alle Konjunkturhilfen müssen verpflichtend an das Pariser Klimaschutzabkommen und konkrete, nachvollziehbare und überprüfbare Klimaschutzmaßnahmen geknüpft sein", erklärte er. "Eine Abwrackprämie für Verbrennungsmotoren darf es nicht geben, die SPD darf hier nicht wortbrüchig werden oder einen Kuhhandel eingehen."
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnte vor einem möglichen Bumerang-Effekt einer Kaufprämie für Verbrenner. In den kommenden Jahren werde das CO2-Thema wichtiger werden, sagte Vzbv-Chef Klaus Müller der Tageszeitung "taz". "Unter anderem dürfte Benzin teurer und die Kfz-Steuer ökologisiert werden", prognostizierte der Verbraucherschützer. "Wer sich jetzt mit staatlichem Segen und Geld ein CO2-unfreundliches Auto gekauft hat, wird sich fragen: Wieso hat es einen Scheck der Kanzlerin für dieses Auto gegeben?"
Am Dienstagabend beraten die Spitzen von Union und SPD über Konjunkturhilfen unter anderem für die Autoindustrie. Die drei Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen plädieren für Kaufprämien für E-Autos und auch moderne Verbrenner. Ein zunächst für diesen Dienstag geplanter Gipfel der Bundesregierung mit Vertretern der Autobranche war vergangene Woche abgesagt worden.
(C. Fournier--BTZ)