Arbeitgeber und Gewerkschaften drängen Merkel zu massiven Konjunkturhilfen
Industrie und Gewerkschaften pochen auf massive staatliche Konjunkturhilfen in der Corona-Krise. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte am Montag anlässlich einer Videokonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), "unverzüglich mit Sofortmaßnahmen zu beginnen, weil bis zur parlamentarischen Sommerpause nur noch wenige Wochen bleiben", und legte einen Sechs-Punkte-Plan vor. Die Gewerkschaft Verdi schlug ein Konjunkturpaket von bis zu 150 Milliarden Euro und Konsumschecks vor.
BDI-Präsident Dieter Kempf machte sich für schnelle Steuerentlastungen für Unternehmen stark. Eine stark ausgeweitete Verlustverrechnung sei die "am schnellsten wirkende Einzelmaßnahme", um die negativen Effekte der Pandemie auf die Unternehmensbilanzen zu dämpfen, erklärte er. Das Hauptproblem seien derzeit die hohen Verluste der Unternehmen. Der Gesetzgeber müsse deshalb die Regelungen zur Verlustnutzung deutlich ausweiten.
Auch private Investitionen sollten laut Kempf angekurbelt werden, indem der Gesetzgeber die Abschreibungsregeln für Investitionen etwa in Digitalisierung und Klimaschutz deutlich verbessert. Der BDI regte zudem als "mittelfristige Stärkung und Existenzsicherung der Unternehmen" an, die Steuerbelastung auf maximal 25 Prozent zu senken. Dazu sei etwa die Abschaffung des Soli für alle Unternehmen sowie die vorübergehende Absenkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer im nächsten und übernächsten Jahr notwendig. Auch bei der Abgabelast bei Strom bestehe Handlungsbedarf.
Nötig sei zudem eine "Investitionsoffensive der öffentlichen Hand". Bund und Länder sollten die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur mit einem Zehn-Jahres-Programm angehen. Staat und Wirtschaft müssten auch in der Krise das Ziel im Blick behalten, 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren.
Verdi-Chef Frank Werneke machte sich ebenfalls für massive staatliche Anreize zur Wiederankurbelung der Wirtschaft stark. "Wir brauchen jetzt ein Konjunkturpaket in der Größenordnung von drei bis vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts - also ungefähr 100 bis 150 Milliarden Euro", sagte er dem "Handelsblatt".
Der Verdi-Chef wollte bei der Konferenz mit Merkel und Arbeitgebervertretern überdies für sogenannte Konsumschecks werben: "Weil Geschäfte, Gastronomie und Kultureinrichtungen langsam wieder öffnen, ist jetzt die Zeit, über Konsumschecks zu reden", sagte er der Zeitung. Der Dienstleistungsgewerkschaft schwebt demnach ein Betrag von 500 Euro für niedrige und mittlere Einkommen vor, der bei höheren Verdiensten abschmilzt, damit die finanzielle Dimension nicht zu groß wird.
Von einer Neuauflage der Abwrackprämie zur Stützung der Autoindustrie hält Werneke nichts. "Wir sind dagegen, einen Verkehrsträger zu bevorzugen und mit Tausenden von Euro zu fördern", sagte er dem "Handelsblatt". Stattdessen solle lieber eine Mobilitätsprämie ungefähr in der Höhe eines Jobtickets eingeführt werden, die dann für den öffentlichen Nahverkehr, ein E-Bike, ein Fahrrad oder auch den Kauf eines Elektroautos verwendet werden könne.
(B. Semjonow--BTZ)