Sachverständige für Festlegung von CO2-Budget zu Einhaltung von Klimazielen
Um die weltweiten Klimaziele einhalten zu können, dringt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) auf feste Obergrenzen für den noch möglichen Treibhausgas-Ausstoß in Deutschland. Dieses CO2-Budget solle "Grundlage und Steuerungsgröße der nationalen Klimapolitik" werden, heißt es in dem am Donnerstag per Videopräsentation vorgestellten Gutachten des Beratergremiums der Bundesregierung. Die Wissenschaftler drängten darauf, Konjunkturhilfen nach der Corona-Krise für ein Umsteuern zu nutzen.
Die dem Gremium zufolge noch zulässigen Gesamtemissionen wurden ab 2020 mit 6,7 Gigatonnen CO2 beziffert. Ohne Absenkungen würde dieses Budget nur bis 2029 reichen, warnen die Wissenschaftler. Es sei daher wichtig, die aktuellen deutschen Klimaziele deutlich zu verschärfen und die zulässigen Jahresemissionsmengen im geltenden Klimaschutzgesetz entsprechend abzusenken. Die Höhe des Budgets leitet der Sachverständigenrat von einem globalen Budget von ab 2018 noch 800 Gigatonnen CO2 ab, das auf den deutschen Bevölkerungsanteil umgerechnet wird.
"Der Pariser Klimavertrag erfordert, dass die Verteilung des noch verbleibenden globalen CO2-Budgets unter den Staaten gerecht und angemessen ist", erklärte dazu das Ratsmitglied Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Angenommen werde dabei das Ziel einer Erderwärmung um 1,75 Grad - für das eigentlich angestrebte 1,5-Grad-Ziel wären schärfere Vorgaben erforderlich.
Die SRU-Vorsitzende Claudia Hornberg mahnte ein rasches Umsteuern in allen relevanten Sektoren an. Dabei sei es wichtig, das Wiederhochfahren der Wirtschaft nach der Corona-Krise als Chance zu nutzen. "Großangelegte Konjunkturprogramme müssen ökologisch zukunftsfähig sein", verlangte Hornberg.
Eine klare Absage erteilten die Experten einer möglichen Kaufprämie für Autos mit Benzin- oder Dieselmotor. "Jedes Auto mit Verbrennungsmotor, das jetzt gefördert wird, wird noch zehn Jahre in Deutschland und noch länger in anderen Ländern herumfahren und Kohlendioxid und weitere Abgase ausstoßen", warnte Hornberg. "Entschlossenes Handeln" verlangte sie zudem, um aktuelle Blockaden beim Ausbau erneuerbarer Energien zu überwinden.
Im Verkehrsbereich forderte Ratsmitglied Claudia Kemfert einen Instrumentenmix, um "die Menschen hin zu umweltfreundlichen Alternativen zu schieben und zu ziehen". Als Elemente nannte sie eine flächendeckende Parkraumbepreisung in Städten sowie eine streckenabhängige Pkw-Maut. Weniger Verkehrslärm durch ein ökologisches Umsteuern führe auch zu mehr Gesundheit und Lebensqualität, wird in dem Gutachten betont.
Weitere Themen des Umweltgutachtens sind die ökologische Gewässerentwicklung durch die Renaturierung von Flächen, eine geringere Belastung mit Düngemitteln und Pestiziden durch die Landwirtschaft, nachhaltiges Bauen und Quartiersmangagement sowie die Verringerung von Rohstoffverbrauch und der Abfallmengen. Auf europäischer Ebene fordern die Wissenschaftler, den geplanten "Green Deal" jetzt "mit Leben zu füllen".
Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) drängte bei der Entgegennahme des SRU-Umweltgutachtens auf einen nachhaltigen Neustart der Wirtschaft nach der Corona-Krise. "Jetzt kommt es darauf an, durch gemeinsames und entschlossenes Handeln unsere Wirtschaft und Gesellschaft krisenfester, solidarischer und umweltverträglicher zu gestalten", betonte die Ministerin.
"Die Klimapolitik der Bundesregierung reicht bei weitem nicht, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen", kritisierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Der SRU gibt einen klaren Auftrag zu einer tatsächlichen Verkehrswende weg vom Auto, hin zu sauberen Alternativen", erklärte der Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan.
(B. Semjonow--BTZ)