Ökonomen fordern großes staatliches Investitionsprogramm gegen Corona-Rezession
Wirtschaftswissenschaftler haben ein riesiges staatliches Investitionsprogramm gegen die Corona-Krise gefordert. Das Paket solle mit Krediten finanziert werden und langfristige Impulse für die Zukunftsthemen Energiewende, demographischer Wandel und Digitalisierung setzen, heißt es in einem gemeinsamen Papier von Forschern aus wirtschafts- und gewerkschaftsnahen Instituten. Anders als bei früheren Rezessionen solle der Konsum nicht staatlich angekurbelt werden, nicht zuletzt zum Gesundheitsschutz. Wie viel das Investitionsprogramm kosten soll, ließen die Forscher offen.
Als Reaktion auf die nie dagewesene Krise seien neue wirtschaftspolitische Rezepte nötig, betonten die Forscher am Donnerstag bei der Vorstellung des Papiers in einer Videokonferenz. Ohne staatliche Impulse drohe ein "erheblicher und dauerhafter Schaden" für Wirtschaft und Politik in Deutschland, warnte Tom Krebs von der Universität Mannheim.
Dabei drängten die Forscher auf ein rasches Handeln der großen Koalition. "Eine Politik des Abwartens kann hohe Kosten verursachen", erklärten sie. "Welcher Anteil unmittelbar 2020/2021 ausgabenwirksam werden sollte, hängt davon ab, wie sich die konjunkturelle Entwicklung bis zur Aufstellung des Haushaltsentwurfs im Juni 2020 entwickelt." Steuererhöhungen erteilten sie eine Absage.
Konkret setzen die Experten zur Förderung privater Investitionen auf gezielte steuerliche Anreize, wie Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, ausführte. Dafür seien etwa bessere Abschreiberegelungen denkbar. Zudem sollten private Investitionen in klimafreundliche Technologien gefördert werden. Hüther regte zudem steuerliche Vorteile für Forschung und Entwicklung speziell in kleinen und mittleren Unternehmen an.
Neben den privaten müssten in der Corona-Krise auch die öffentlichen Investitionen gesteigert werden, sagte Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. Damit könne die Nachfrage insgesamt gefördert werden, ohne den wegen der Pandemie kritischen "sozialen Konsum" anzukurbeln.
Den größten Bedarf für öffentliche Investitionen haben laut Dullien dabei die Kommunen, unter anderem wegen der erwarteten Ausfälle der Gewerbesteuer-Einnahmen infolge der Krise. Er sprach sich etwa für die Tilgung von Altschulden der Kommunen, zusätzliche Mittel für den Erhalt einer flächendeckenden Krankenhaus- und Notfallversorgung und mehr Bundesmittel für den Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs aus.
Für einen neuen Schub in der Energiewende plädierte Barbara Praetorius, Co-Vorsitzende der Kohle-Kommission. So sollten etwa neue Wärmepumpen anstelle der alten Ölheizungen steuerlich gefördert werden. Dies wäre eine "echte Abwrackprämie", sagte Praetorius. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse vorangetrieben werden. Dort habe sich ein Investitionsstau gebildet.
Zudem pochten die Experten auf deutlich höhere Ausgaben für Bildung. "Derzeit kann volkswirtschaftlich eine extrem hohe Rendite gerade in der frühen Bildung bei weitem nicht ausgeschöpft werden", sagte Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Künftig müssten "zielgerichtet bestimmte Gruppen" noch besser gefördert werden, etwa Kinder mit Migrationshintergrund.
Dafür müsse die frühkindliche Bildung und Betreuung ausgebaut und auch deren Qualität verbessert werden, sagte Spieß. Sie forderte die Digitalisierung von Schulen und Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie Sonderprogramme für Beschäftigte in Erziehungs- und Pflegeberufen. Überdies müsse das Transformations-Kurzarbeitergeld in Kombination mit beruflicher Weiterbildung oder Umschulung ausgeweitet werden.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollten nach Ansicht der Forscher als Gesamtpaket verabschiedet werden, damit private Haushalte und Unternehmen frühzeitig wissen, womit sie planen können. Das bedeute jedoch nicht, dass alle Schritte gleichzeitig verwirklicht werden. Die Umsetzung könne sich teils über mehrere Jahre ziehen.
(F. Schulze--BTZ)