EU-Wirtschaftskommissar Gentiloni fordert Kompromiss im Streit um Corona-Bonds
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hat Deutschland zu einem Kompromiss im Streit um die Corona-Bonds gedrängt. Eine Möglichkeit, die massiven wirtschaftlichen Probleme durch die Coronavirus-Pandemie zu bewältigen, sei die Ausgabe von Anleihen, sagte Gentiloni am Montag im italienischen Radiosender Radio Capital. Es solle dabei nicht um eine Vergemeinschaftung von Schulden gehen, "die niemals akzeptiert werden wird", betonte der Kommissar.
Ohne eine einheitliche Antwort auf die Coronavirus-Krise sei "das europäische Projekt vom Aussterben bedroht", sagte der ehemalige italienische Ministerpräsident. Und ohne Deutschland "können wir keinen Kompromiss finden", fügte er hinzu.
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten angesichts der sich verschärfenden Corona-Krise am Donnerstag in einer Video-Konferenz über neue Hilfen für weniger finanzkräftige Länder beraten. Die Verhandlungen brachten jedoch kein Ergebnis. Der Gipfel beschloss lediglich, dass die Finanzminister der Eurozone binnen zwei Wochen Vorschläge unterbreiten sollen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich für die Nutzung des Euro-Rettungsfonds ESM ausgesprochen, um Länder mit geringen Haushaltsspielräumen in der Corona-Krise zu unterstützen. Sogenannte Corona-Bonds, für die sich Frankreich, Italien und andere EU-Länder stark machen, lehnt die Bundesregierung ab.
Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte am Montag in Berlin, Deutschland sei der Überzeugung, dass der Euro-Rettungsfonds ESM über Instrumente verfüge, "mit denen wir arbeiten können, um die Sorgen und Nöte der europäischen Volkswirtschaften aufzufangen".
Gentiloni sagte, er habe diese Reaktion aus Deutschland erwartet und nannte sie eine "langjährige Sichtweise, die wir auswendig kennen". Deutschland lehnte in der Vergangenheit wiederholt den Versuch stark verschuldeter Euro-Länder ab, die auf eine Vergemeinschaftung der Schulden drängten.
Rom hingegen will keinen Einsatz des ESM, der 2012 während der europäischen Schuldenkrise eingerichtet wurde, in der aktuellen Corona-Krise. Das Argument: Bereits hoch verschuldete Länder wie Italien würden ungerechterweise bestraft werden, indem der ESM den betroffenen Ländern neue und unerreichbare Bedingungen für die Sanierung seiner öffentlichen Finanzen auferlege.
"Niemand verlangt von Europa, dass es Staatsschulden übernimmt", sagte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte am Montag der spanischen Zeitung "El Pais". Corona-Bonds seien spezifisch auf die aktuelle Krise zugeschnitten. Es handele sich um "ein gemeinsames europäisches Schuldinstrument, das es uns erlaubt, diesen Krieg so schnell wie möglich zu gewinnen, um die Wirtschaft wieder zu beleben", fügte er hinzu.
Ein Sprecher von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen warnte jedoch davor, dass gewisse Einwände gegen eine gemeinsame Kreditaufnahme unüberwindbar sein könnten. Einige Mitgliedsstaaten hatten auf "spezifische Zwänge hingewiesen", sagte Sprecher Eric Mamer. "Diese Zwänge sind vorhanden. Und wir können sie uns nicht einfach wegwünschen."
(O. Larsen--BTZ)