Wirtschaftsweise setzen in Corona-Krise auf "V-Szenario" für die Konjunktur
Auf den steilen Einbruch der Wirtschaftsleistung in der Corona-Krise folgt auch eine steile Erholung - ein solches V-förmiges Szenario ist nach Einschätzung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung derzeit am wahrscheinlichsten. "Viel hängt am Ende auch davon ab, dass wir schnell wieder aus der Krise herauskommen", sagte der neue Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, am Dienstag nach Beratungen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Die von der Bundesregierung bislang getroffenen Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld und Liquiditätshilfen bezeichnete Feld als "sehr begrüßenswert". Im nächsten Schritt komme es nun darauf an, für das Jahr 2021 "einen ähnlich starken und schnellen Aufschwung" anzulegen, wie es ihn in den Folgejahren der Finanzkrise gegeben habe.
"Das wahrscheinlichste Szenario aus Sicht des Sachverständigenrates ist im Moment ein V-Szenario", sagte er. "Risikoalternativen sind ein tieferes V oder eine U-Entwicklung".
Der Begriff V-Szenario symbolisiert dabei einen steilen Abwärtstrend, der sich nach dem Erreichen des Tiefpunktes aber ebenso rasch und in ähnliche Höhen wieder aufwärts bewegt. Bei einem U ist die Talsohle, bis die Wirtschaft wieder anzieht, dabei länger.
Ein "L-Szenario" - also ein Einbruch ohne absehbares Ende der Talsohle - ist nach Einschätzung Felds derzeit weniger wahrscheinlich. "Wir gehen nicht davon aus gegenwärtig, dass wir in ein L kommen, also dauerhaft oder längere Zeit auf einem niedrigerem Wachstumspfad wären."
Das Münchener Ifo-Institut hatte am Montag Berechnungen vorgelegt, wonach die Corona-Pandemie die deutsche Volkswirtschaft voraussichtlich Hunderte von Milliarden Euro kosten wird. Je nach Szenario schrumpfe die deutsche Wirtschaft um 7,2 bis 20,6 Prozentpunkte. Das entspreche Kosten von 255 bis 729 Milliarden Euro.
Feld sagte hierzu, er wolle bei konkreten Zahlen zurückhaltend sein. Bezogen auf die Bandbreite der Ifo-Szenarien fügte er allerdings hinzu, dass der Sachverständigenrat beispielsweise im Falle eines fünfwöchigen Stillstands und einer dreiwöchigen Erholungsphase von diesem Shutdown niedrigere Einbrüche erwarte.
"Wenn der Shutdown sieben Wochen andauert und die Erholung fünf Wochen, dann landen wir etwa in der Größenordnung des Einbruchs den wir in der Finanzkrise hatten", sagte der Wirtschaftsforscher. "Die ganz pessimistischen Szenarien, die in zweistellige Bereiche gehen, die schließen wir gegenwärtig im Sachverständigenrat aus", sagte Feld. "Wir gehen nicht davon aus, dass wir eine so schwierige Lage bekommen werden."
Altmaier erwartet, dass die wirtschaftlichen Einbußen "wahrscheinlich höher" sein werden als in der letzten Wirtschaftskrise. Zugleich dürfe die Perspektive eines neuen Aufschwungs nach Überwindung der Krise nicht aus den Augen verloren werden. "Wir müssen alles dafür tun, dass die Wachstumskräfte, dann wenn die Zahl der Infektionen zurückgeht, dann wenn das öffentliche Leben wieder hochgefahren werden kann, dann wenn die Unternehmen wieder normal produzieren können, dass dann die Auftriebskräfte die Oberhand bekommen."
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Ernst, forderte, nach der Krise sei ein "langfristig angelegtes Investitionsprogramm" nötig, das die Wirtschaft nachhaltig stärke. Schon vor der Corona-Krise habe die Bundesregierung "Investitionen in Bildung, Verkehr, Kommunikationsnetze und Dekarbonisierung verschleppt", kritisierte der Linken-Politiker.
(O. Larsen--BTZ)