Zahl der Beschäftigten mit untypischen Arbeitszeiten nimmt zu
Überlange Arbeitszeiten oder Schicht- und Sonntagsdienste: Die Zahl der Beschäftigten mit sogenannten atypischen Arbeitszeiten hat in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren zugenommen. 2016 hatten rund 1,7 Millionen Menschen eine Stelle mit "überlangen" Arbeitszeiten und 9,1 Millionen arbeiteten am Wochenende, wie eine Anfrage der Linken an das Bundesarbeitsministerium ergab. Die Linken-Abgeordnete Jutta Krellmann warnte vor den gesundheitlichen Folgen.
Regelmäßige überlange Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden pro Woche betrafen 2016 insgesamt 4,6 Prozent der 37 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland. Gegenüber dem Jahr 2006 ist das ein Anstieg um 10,4 Prozent, wie aus der Antwort des Ministeriums hervorgeht.
Ein wesentlicher Grund für den Anstieg ist hierbei allerdings auch die insgesamt gestiegene Zahl der Erwerbstätigen. Über den Zehnjahreszeitraum betrachtet blieb der Anteil der Beschäftigten mit überlangen Arbeitszeiten an der Gesamtzahl der Beschäftigten nahezu konstant: 2006 lag er bei 4,7 Prozent. 2012 stieg er zeitweilig auf 5,3 Prozent; damals hatten mit 1,9 Millionen Menschen insgesamt rund 200.000 Beschäftigte mehr als 2016 "überlange" Arbeitszeiten.
Deutlich angestiegen ist im Vergleich zu 2006 hingegen die Zahl derjenigen, die an Sonn- und Feiertagen arbeiteten. 2016 waren dies 5,1 Millionen Menschen - 13,9 Prozent aller Beschäftigten und 1,1 Millionen mehr als 2006. Hierbei ist die Quote der Frauen, die sonn- und feiertags arbeiten, mit 14,7 Prozent höher als die der Männer (13,2 Prozent). Auch die Quote bei den befristet Beschäftigten und Leiharbeitern liegt mit 15,6 und 15,3 Prozent über dem Schnitt.
Zugenommen hat auch die Zahl der Menschen in Schichtarbeit: 2016 waren dies mit knapp 5,8 Millionen 15,6 Prozent aller Beschäftigten. 2006 hatte der Anteil mit rund 4,7 Millionen Beschäftigten bei 14,5 Prozent gelegen. Bei den befristet Beschäftigten stieg der Anteil derjenigen, die in Schichten arbeiten, überdurchschnittlich: binnen zehn Jahren von 13,6 auf 17,5 Prozent.
Krellmann warnte vor den gesundheitlichen Folgen atypischer Arbeitszeiten. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin klagten Schichtarbeitende häufiger über Schlafstörungen, Rücken- und Kreuzschmerzen und körperliche Erschöpfung, erklärte die Linken-Politikerin. Wer hohe Einflussmöglichkeiten auf seine Arbeitszeiten habe, berichte hingegen "deutlich seltener" von gesundheitlichen Beschwerden.
"Die Lebenszeit unterliegt immer stärker dem Zugriff der Arbeitgeber", kritisierte Krellmann. "Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen zunehmend." Es sei "nicht akzeptabel, dass Flexibilität immer nur zu Lasten der Beschäftigten geht". Flexible Arbeitszeiten sind derzeit auch das zentrale Thema der Tarifverhandlungen zwischen den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie und der IG Metall. Die Gewerkschaft fordert die Möglichkeit, die wöchentliche Arbeitszeit zeitweise auf 28 Stunden zu reduzieren; wer Schichtdienste hat, Kinder betreut oder Angehörige pflegt, soll dabei einen Zuschuss bekommen.
Die Arbeitgeber fordern hingegen eine größere Flexibilität, um die Wochenarbeitszeit erhöhen zu können. Den von der IG Metall geforderten Zuschuss sehen sie als rechtswidrig und diskriminierend gegenüber anderen Beschäftigten an. Bislang sind die Fronten verhärtet. Am Mittwochnachmittag wollten Arbeitgeber und IG Metall im baden-württembergischen Böblingen zur vierten Runde der Tarifverhandlungen zusammenkommen.
(P. Hansen--BTZ)