EuGH stuft milliardenschwere EZB-Anleihenkäufe als rechtens ein
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht die milliardenschweren Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) als rechtens an. Das umstrittene Programm verstoße nicht gegen EU-Recht, entschied der EuGH am Dienstag in Luxemburg. Das Bundesverfassungsgericht hatte Zweifel geäußert und den Gerichtshof angerufen, der für die Auslegung des Unionsrechts zuständig ist. Nach dem Urteil des EuGH sind nun die Karlsruher Verfassungsrichter wieder am Zug. (Az. C-493/17)
Das Programm gehe nicht über das Mandat der EZB hinaus und verstoße nicht gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung, stellte der EuGH fest. Die Prüfung der vom Bundesverfassungsgericht vorlegten Fragen habe nichts ergeben, was die Gültigkeit des Anleihenkaufprogramms beeinträchtigen könnte.
Die EZB hatte das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen von Euroländern im März 2015 gestartet, um die Konjunktur zu stützen. Hintergrund war die niedrige Inflationsrate und die damit verbundene Sorge vor einer Deflation, also vor rückläufigen Preisen. Dies würde die Wirtschaft extrem belasten.
Die Zentralbank pumpte insgesamt bislang rund 2,5 Billionen Euro in die Finanzmärkte. Ende des Jahres soll das Programm zum Ankauf von Staats- und zum Teil auch von Unternehmensanleihen allerdings auslaufen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte den EuGH im vergangenen Jahr nach mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das Programm angerufen. Kritiker wie der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler und der AfD-Parteigründer Bernd Lucke hatten geklagt.
Das höchste deutsche Gericht äußerte bei der Vorlage Bedenken gegen das EZB-Programm. Es sprächen "gewichtige Gründe" dafür, dass die EZB mit dem Programm unzulässig Staatshaushalte finanziere. Die Verfassungsrichter bezweifelten auch, dass das Vorgehen vom Mandat der EZB für die Währungspolitik gedeckt sei.
Der Europäische Gerichtshof hatte dagegen keine Einwände gegen das Programm und folgte mit seinem Urteil der Auffassung des in dem Verfahren zuständigen EuGH-Generalanwalts, der das Vorgehen der EZB in seinem Schlussantrag Anfang Oktober bereits als rechtens eingestuft hatte.
Die Anleihenkäufe fielen in den Bereich der Währungspolitik, in dem die Union für die Eurostaaten ausschließlich zuständig sei, und achte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, erklärte der EuGH. Eine währungspolitische Maßnahme könne nicht allein deshalb als wirtschaftspolitisch angesehen werden, weil sie auch im Rahmen der Wirtschaftspolitik angestrebte Auswirkungen haben könnte.
Die Luxemburger Richter sahen auch keinen Verstoß gegen das Verbot der Staatsfinanzierung. Das Programm nehme den Mitgliedsstaaten unter anderem nicht den Anreiz, eine "gesunde Haushaltspolitik" zu verfolgen.
Der Kläger und Europaabgeordnete Lucke, der nach seinem Austritt aus der AfD für die Partei Liberal-Konservativer Reformer (LKR) im Parlament sitzt, nannte das Urteil "erschreckend". Der EuGH erlaube der Zentralbank "jetzt sogar ausdrücklich die monetäre Staatsfinanzierung". Der Prozessbevollmächtigte Hans-Detlef Horn zeigte sich überzeugt, dass es nach der Entscheidung in Luxemburg für das Bundesverfassungsgericht Anlass gebe, "näher hinzusehen".
Das höchste deutsche Gericht muss sich nach dem Luxemburger Urteil erneut mit den vorliegenden Verfassungsbeschwerden gegen das Anleihenkaufprogramm befassen. Die Prüfung des EuGH-Urteils dürfte einige Monate dauern. Unklar ist, ob eine mündliche Verhandlung in Karlsruhe angesetzt wird.
(N. Nilsson--BTZ)