Fast 4,2 Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiten für Niedriglohn
Der Arbeitsmarkt boomt, doch Millionen schuften für einen Niedriglohn. Im vergangenen Jahr waren es knapp 4,2 Millionen Vollzeitbeschäftigte, die für ihren Job nur einen Lohn bekamen, der weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns betrug. Das geht aus Zahlen der Bundesregierung hervor, die am Freitag die Linken-Fraktion veröffentlichte. Fraktionsvize Susanne Ferschl forderte daher erneut einen Mindestlohn von mindestens zwölf Euro.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in Deutschland stieg den Angaben zufolge von 1999 bis 2017 nur geringfügig um 1,6 Prozent: von 21,61 Millionen auf 21,95 Millionen. Rund jeder Fünfte dieser Gruppe arbeitete demnach im vergangenen Jahr für einen Lohn unter der so genannten Niedriglohnschwelle - das waren 2139 Euro monatlich.
Für niedrige Löhne arbeiten demnach vor allem Frauen und Ostdeutsche. Bei den Frauen beträgt der Anteil der Niedriglöhner den Angaben zufolge rund 27 Prozent, bei den Männern sind es rund 16 Prozent.
In Ostdeutschland lag der Anteil der vom Niedriglohn Betroffenen demnach mit 33,6 Prozent im Jahr 2017 doppelt so hoch wie in Westdeutschland mit 16,7 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die Quote demnach sogar bei 39,5 Prozent, in Sachsen bei 37 Prozent. Die Niedriglohnschwelle in Ostdeutschland liegt zudem bei nur 1733 Euro.
Ferschl kritisierte: "Die Erfolgsmeldungen am Arbeitsmarkt verkehren sich bei genauerer Betrachtung in ihr Gegenteil. Wenn jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte zum Niedriglohn schuftet, dann muss Politik handeln." Im Interesse der Menschen, des sozialen Zusammenhalts und der politischen Stabilität sei ein Mindestlohn von mindestens zwölf Euro nötig.
Dass noch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, zeigt die Zahl der Überstunden: Sie stiegen 2017 auf einen neuen Höchststand seit 2007, wie die Linken-Arbeitsmarktpolitikerin Jessica Tatti bei der Bundesregierung erfragte. Demnach belief sich die Zahl insgesamt auf 2,1 Milliarden Überstunden - die Hälfte davon unbezahlt. "Das Arbeitsvolumen würde rechnerisch ausreichen, um 1,29 Millionen Vollzeit-Arbeitsplätze zu schaffen."
Tatti kritisierte die Zahlen als "skandalös", weil sie zeigten, dass die Arbeitsverdichtung dramatisch zunehme. Zwei Drittel der Beschäftigten mit mehr als zwei Überstunden pro Woche sagen demnach, sie würden ihre Arbeit in der vertraglich vereinbarten Zeit nicht schaffen. Vier Fünftel aller Überstunden entstünden aus betrieblichen Zwängen.
Die Zahlen legten offen, "dass sich viele Arbeitgeber auf dem Rücken ihrer Beschäftigten bereichern", erklärte Tatti. Im Jahr 2017 hätten sie über 36 Milliarden Euro gespart, weil die Beschäftigten Überstunden zum Nulltarif geleistet hätten.
Tatti forderte eine Antistressverordnung und die Stärkung von Mitbestimmungsrechten. "Um den Missbrauch von Überstunden zu stoppen, braucht es eine Verkürzung der gesetzlichen Wochenhöchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden."
(A. Walsh--BTZ)