EU-Kommission gibt sich bei Konjunkturprognosen vorsichtig
Angesichts zunehmender Unsicherheit im internationalen Umfeld gibt sich die EU-Kommission bei ihren Konjunkturprognosen vorsichtig. Für die Eurozone korrigierte sie ihre Wachstumsprognose vom Sommer für das kommende Jahr von 2,0 Prozent auf 1,9 Prozent leicht herunter. Die europäische Wirtschaft halte sich dennoch gut, sagte Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Donnerstag. Aus der Reihe fällt aber Italien.
Die Kommission geht für 2019 von solidem Wachstum von mindestens einem Prozent in allen Mitgliedstaaten aus. Für Deutschland erwartet sie einen Zuwachs von 1,8 Prozent. In der Sommerprognose war noch von einem Anstieg des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1,9 Prozent ausgegangen worden.
Das Wachstum lasse derzeit "schrittweise" nach und Europa müsse sich auf "ein zunehmend unsicheres internationales Umfeld" einstellen, warnte Moscovici. Auch Handelskonflikte und höhere Ölpreise trügen zu der Verlangsamung bei. Die Regierungen sollten entsprechende Vorkehrungen treffen, empfahl der Wirtschaftskommissar.
Nach Einschätzung der Kommission wird das Wachstum in den kommenden Jahren mehr von internen Faktoren getragen werden. Der private Verbrauch werde von steigenden Gehältern und steuerlichen Änderungen in einigen EU-Staaten profitieren. Die Lage am Finanzmarkt sei ebenfalls günstig.
Auch der Arbeitsmarkt wird sich demnach positiv entwickeln und die Arbeitslosenquote in der Eurozone voraussichtlich von 8,4 Prozent in 2018 auf 7,9 Prozent in 2019 sinken. Auch für Deutschland rechnet Brüssel mit einem weiteren Rückgang der bereits historisch niedrigen Arbeitslosigkeit.
Aus der Reihe fällt Italien, wo die Kommission von einem erheblichen Anstieg der Staatsschulden in den nächsten zwei Jahren ausgeht. Sollte die Regierung in Rom an ihren aktuellen Plänen festhalten, würde die Neuverschuldung 2019 um 2,9 Prozent und in 2020 um 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen, warnte die Kommission.
Diese Prognose liegt deutlich über der Einschätzung der italienischen Regierung. Diese geht von einem Anstieg der Neuverschuldung um 2,4 Prozent im nächsten und um 2,1 Prozent im darauffolgenden Jahr aus.
Brüssel hatte im Oktober im Falle Italiens erstmals überhaupt den Haushaltsentwurf eines Mitgliedstaates zurückgewiesen. Die seit Juni amtierende Regierungskoalition aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und fremdenfeindlicher Lega hat noch bis zum 13. November Zeit, einen korrigierten Haushalt vorzulegen. Ansonsten droht Rom die Eröffnung eines Defizitverfahrens, das zu milliardenschweren Bußgeldern führen kann.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte vor den Auswirkungen der Finanzprobleme Italiens auf andere europäische Länder. Roms Finanzen könnten weiter unter Druck geraten und damit andere Staaten "anstecken", deren Wirtschaft schwächer und deren haushaltspolitische Handlungsfreiheit begrenzt sei, erklärte der IWF am Donnerstag in seiner Herbstprognose für Europa.
Italiens Wirtschaftsminister Giovanni Tria warf der EU-Kommission "fachliches Versagen" vor. Trotz der zusätzlichen Informationen und Klarstellungen aus Rom sei ihre Analyse des italienischen Haushalts "unzureichend und einseitig".
Regierungschef Giuseppe Conte erklärte: "Italien ist keinesfalls ein Problem für die Eurozone, sondern wird zum Wachstum auf dem ganzen Kontinent beitragen." Am Freitag wird der Chef der Eurogruppe, Mário Centeno, zu einem Treffen mit Tria in Rom erwartet.
(C. Fournier--BTZ)