DGB beklagt zunehmenden Flexibilisierungsdruck bei der Ausbildung
Überstunden, Schichtarbeit und auch nach Feierabend noch erreichbar sein: Viele Azubis stehen dem neuen Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zufolge unter hohem Flexibilisierungsdruck. Zwar sind noch immer sieben von zehn Azubis mit ihrer Ausbildung zufrieden, wie der DGB am Montag erklärte. Die Tendenz sinke jedoch - und je nach Branche gebe es "erhebliche" Unterschiede.
Für seinen Report befragte der Gewerkschaftsbund repräsentativ knapp 15.000 Azubis aus den 25 häufigsten Ausbildungsberufen. Insgesamt mehr als ein Drittel (36,3 Prozent) muss demnach regelmäßig Überstunden machen - im Durchschnitt 4,1 Stunden pro Woche. 13 Prozent bekommen für ihre Überstunden weder einen Freizeitausgleich noch eine Bezahlung.
Mehr als die Hälfte der Auszubildenden (54,4 Prozent) muss außerdem auch nach Feierabend für die Ausbilder mobil erreichbar sein. Von "Flexibilisierungsdruck ist bereits ein Großteil der jungen Menschen betroffen", erklärte der DGB. Jeder vierte Azubi arbeitet in Schichten, bei weiteren 8,4 Prozent ist dies manchmal der Fall.
"Insbesondere Schichtarbeit ist ein Problem", kritisierte DGB-Jugendreferent Daniel Gimpel. "Bei den Hotelfachleuten und den FachverkäuferInnen im Lebensmittelhandwerk sind fast 80 Prozent der Auszubildenden im Schichtdienst tätig."
Hier seien die Ausbildungsbetriebe aufgefordert, "die geltenden Gesetze einzuhalten", forderte Gimpel. "Auszubildende dürfen nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden". Schichtarbeit, überlange Ausbildungstage und unregelmäßige Arbeitszeiten seien "belastend und hinderlich für Lernerfolge". Darunter leide letztlich auch die Ausbildungsqualität.
Insgesamt sind dem DGB-Report zufolge aber nach wie vor die meisten Auszubildenden (70,2 Prozent) mit ihrer Ausbildung zufrieden. Je nach Branche variiert dies allerdings stark: Während Verwaltungsfachangestellte, Mechatroniker und Industriemechaniker überdurchschnittlich zufrieden sind, bewerten Hotelfachleute, zahnmedizinische Fachangestellte und Auszubildende im Einzelhandel und in Teilen des Handwerks ihre Betriebe dagegen mangelhaft. "Hier sind die Abbruchquoten hoch und die Arbeitgeber haben Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen", erklärte Gimpel.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) beklagte, der Report belege die "dramatische Situation" im Gastgewerbe. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband wolle aber weiter an der Arbeitszeitschraube drehen und ignoriere damit die Probleme. "Der viel beklagte Fachkräftemangel ist hausgemacht", kritisierte der NGG-Vizevorsitzende Guido Zeitler. "Arbeitszeit schlägt Azubis in die Flucht", resümierte die Gewerkschaft.
"Das Jammern über nicht besetzte Ausbildungsstellen ertönt besonders in solchen Branchen, denen der Ruf miserabler Ausbildungsbedingungen und schlechter Vergütung vorauseilt", kritisierte auch die bildungspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Birke Bull-Bischoff. Hohe Abbruchquoten und Probleme bei der Besetzung von Ausbildungsstellen seien auch "Symptome schlechter Arbeitsbedingungen".
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte hingegen, eine Ausbildung führe "an das Berufsleben heran". So gebe es in Hotels, der Gastronomie oder im Handel tatsächlich Arbeitszeiten außerhalb der üblichen Bürozeiten. "Denn kein Gastwirt oder Hotelier kann es sich heute und in Zukunft leisten, um 18 Uhr sein Haus zu schließen", erklärte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Er betonte zugleich, dass die Mehrheit der Azubis zufrieden oder sehr zufrieden mit der Ausbildung sei. In der Tat sei es in Zeiten des wachsenden Fachkräftemangels so, dass sich Betriebe stärker für die Qualität ihrer Ausbildung engagierten.
(U. Schmidt--BTZ)