EU warnt Weltmächte vor "Konflikt und Chaos" durch Handelskriege
Mit eindringlichen Worten hat EU-Ratspräsident Donald Tusk davor gewarnt, dass sich die hochschaukelnden internationalen Handelskonflikte in Gewalt entladen könnten. Es sei die "gemeinsame Pflicht" von Europa und China, aber auch der USA und Russlands, "keine Handelskriege zu beginnen, die sich so oft in der Geschichte in heiße Konfliktherde verwandelt haben", sagte Tusk am Montag beim Gipfeltreffen der Europäischen Union mit China in Peking.
Tusk appellierte an die Verantwortung der Weltmächte: Noch sei Zeit, "Konflikt und Chaos zu verhindern". Die Welt benötige Handelsreformen statt Konfrontation, sagte der EU-Ratspräsident nach einem Treffen mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang beim jährlichen EU-China-Gipfel. "Deshalb rufe ich unsere chinesischen Gastgeber auf, aber auch die Präsidenten Trump und Putin, gemeinsam einen Prozess zu beginnen, die WTO vollständig zu reformieren."
US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin treffen sich am Montag in der finnischen Hauptstadt Helsinki zu ihrem ersten bilateralen Gipfel seit Trumps Amtsantritt vor anderthalb Jahren. Am Wochenende hatte Trump in einem Interview sowohl Russland als auch China und die EU als "Gegner" bezeichnet und damit in Europa empörte Reaktionen ausgelöst.
China und die USA wiederum hatten sich zuletzt wechselseitig mit der Ankündigung massiver Strafzölle überzogen und damit die Furcht vor einem weltumspannenden Handelskrieg mit drastischen Folgen für die Konjunktur genährt.
"Heute stehen wir vor einem Dilemma", sagte Tusk in Peking. Die Staaten müssten sich entscheiden, "ob sie ein hartes Spiel mit Zollkriegen oder Konflikten wie in der Ukraine oder in Syrien spielen, oder ob sie nach gemeinsamen Lösungen suchen, die auf fairen Regeln basieren". Europa, China, die USA und Russland rief er zum Schulterschluss auf - es sei die gemeinsame Pflicht, "die globale Handelsordnung nicht zu zerstören, sondern sie zu verbessern."
Genaue Vorschläge für eine Reform der Welthandelsorganisation WTO machte Tusk nicht. Ende Mai hatte sich bereits die französischen Regierung für eine grundlegende WTO-Reform ausgesprochen. Trump, der multilateralen Organisationen grundsätzlich wenig abgewinnen kann, hat bereits mehrfach einen möglichen Austritt der USA aus der WTO ins Spiel gebracht. Besonders stört er sich daran, dass China dort als Entwicklungsland eingestuft wird - dies verschaffe China große Vorteile, insbesondere gegenüber den USA.
Gegenüber der Volksrepublik wähnt Trump sein Land wegen des hohen chinesischen Überschusses beim Handel mit den USA ohnehin im Nachteil. Die Handelsstretigkeiten drohten allerdings beide Seiten zu treffen, warnte am Montag Mao Shenyong vom chinesischen Statistikbüro. Zudem sei die Weltwirtschaft "tief integriert", globalisierte Lieferketten hätten deshalb zur Folge, dass auch weitere Länder die Folgen spüren würden.
In China sind die Auswirkungen auf die Konjunktur bislang noch überschaubar: Das Wachstum ließ im zweiten Quartal nur leicht nach. Von April bis Ende Juni stieg das Bruttoinlandsprodukt der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt um 6,7 Prozent. Das waren 0,1 Punkte weniger als im ersten Quartal. Die chinesische Regierung hat für das Gesamtjahr ein Ziel von 6,5 Prozent Wachstum ausgeben.
Die EU-Delegation reist von China aus nach Japan weiter. Dort findet am Dienstag der EU-Japan-Gipfel statt, bei dem das seit Jahren ausgehandelte Freihandelsabkommen Economic Partnership Agreement (EPA) unterzeichnet werden soll.
(S. Soerensen--BTZ)