Arbeitnehmer in der EU sollen vor Lohndumping geschützt werden
Lohndumping bei entsandten Arbeitnehmern soll in der EU künftig unterbunden werden - darauf zielt eine Reform der Entsenderichtlinie ab, die das Europaparlament am Dienstag abschließend verabschiedet hat. Demnach sollen entsandte Arbeitnehmer ab Mitte 2020 den gleichen Lohn erhalten wie ihre einheimischen Kollegen und außerdem von Tarifverträgen profitieren. Heftige Kritik an den neuen Vorschriften kam von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Ein zentraler Punkt der Reform ist die zeitliche Begrenzung der Entsendung von Arbeitnehmern. Die nun verabschiedete Neuregelung sieht vor, dass die Frist im Regelfall zwölf Monate beträgt. Unter bestimmten Umständen kann sie um sechs Monate verlängert werden. Nach Ablauf der Frist gilt für Arbeitnehmer aus Drittländern das gesamte Arbeits- und Sozialrecht des Landes, in dem sie arbeiten.
Auf diesen Kompromiss hatten sich Vertreter des Parlaments, der Kommission und der EU-Staaten im März nach mehr als zweijährigen zähen Verhandlungen geeinigt. Künftig gelte das Prinzip: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort", betonte der SPD-Europaabgeordnete Michael Detjen. Auch würden "Lohntricksereien" erschwert. So dürften Kosten für die Anreise zum Arbeitsort oder für die Unterbringung nicht mehr vom Lohn abgezogen werden.
"Zu oft schuften entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Hungerlöhne, müssen zahllose Überstunden leisten und unter erbärmlichen Umständen hausen", betonte der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Udo Bullmann (SPD). Dem werde künftig ein Riegel vorgeschoben.
Die Neuregelung werde nicht nur die Arbeitsbedingungen verbessern, sondern auch für einen "faireren Wettkampf unter den europäischen Unternehmen sorgen", betonte die Berichterstatterin des Parlaments, die französische Konservative Elisabeth Morin-Chartier. Nach Erhebungen der Kommission verdienen entsandte Arbeiter im Durchschnitt rund 35 Prozent weniger als ihre einheimischen Kollegen. Im Jahr 2016 gab es in der EU 2,3 Millionen entsandte Arbeitnehmer - ein Anstieg von 69 Prozent gegenüber 2010.
Die neuen Vorschriften ersetzen eine Richtlinie von 1996, die seit Jahren als nicht mehr zeitgemäß kritisiert wird. Demnach können Firmen Angestellte zeitweise zur Arbeit in andere Länder schicken und dabei weiter Sozialabgaben im Heimatland zahlen. Diese Möglichkeit nutzen derzeit vor allem viele Unternehmen in osteuropäischen Länder. Aber auch Arbeitgeber in den Aufnahmeländern profitieren davon, weil sie Sozialabgaben sparen.
Die deutsche Wirtschaft befürchtet "äußerst negative Konsequenzen" für die wirtschaftliche Entwicklung in der EU. Die neuen Regeln "bedeuten Protektionismus", dies werde "den Binnenmarkt schwer beschädigen", warnte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, in einem Schreiben an alle deutschen Europaabgeordneten. Dies werde zu "Abschottung innerhalb der EU" für grenzüberschreitende Dienstleistungen führen, heißt es in dem Schreiben, von dem BERLINER TAGESZEITUNG eine Kopie erhielt.
Ausgenommen von der Neuregelung bleiben die Fernfahrer, für die weiterhin zahlreiche Ausnahmeregeln gelten. Dies setzten im Europaparlament Vertreter der Konservativen und Liberalen durch. Für die Branche soll es eine eigene Richtlinie geben, über die derzeit verhandelt wird. Am 4. Juni wird sich der Verkehrsausschuss des Europaparlaments mit der Frage befassen.
Gegen diese Ausnahme demonstrierten vor dem Europaparlament mehr als hundert Gewerkschaftsvertreter. Auf Transparenten forderte sie "Stoppt das Dumping in Lkw und Bussen." Kritik äußerte auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Den internationalen Straßentransport von der Richtlinie auszunehmen, sei ein "schwerwiegender politischer Fehler", betonte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Damit würden "Gesandte erster und zweiter Klasse" geschaffen.
Nach dem abschließenden Votum des Europaparlaments kann die neue Entsenderichtlinie nun in Kraft treten. Die EU-Staaten haben zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen - also bis Mitte 2020.
(F. Schulze--BTZ)