Verbände und Grüne kritisieren hohe Hürden für Kläger bei Musterklage
Die Debatte über die Erfolgsaussichten der von der Koalition beschlossenen Musterfeststellungsklage hält an. Während eine Reihe von Verbänden sowie die Grünen am Dienstag die hohen Hürden für die Klägerseite kritisierten, gehen diese Vorgaben dem Handelsverband Deutschland (HDE) nicht weit genug. Der Gesetzentwurf soll am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden, Anfang November soll das Gesetz in Kraft treten.
Mit der Musterfeststellungsklage sollen Verbraucher die Möglichkeit bekommen, gemeinsam vor Gericht zu ziehen und dort von ausgewählten Verbänden wichtige Rechtsfragen klären zu lassen. Laut Koalitionsvertrag soll das Klageinstrument spätestens zum 1. November in Kraft treten, um eine Verjährung der Schadenersatzansprüche der Besitzer von VW-Dieselautos zu verhindern. Die Ansprüche vieler Kunden wegen der Abgasmanipulationen laufen zum Jahresende aus.
Um Missbrauch vorzubeugen, gelten für klagende Verbände hohe Hürden. Dem Gesetzentwurf zufolge, der BERLINER TAGESZEITUNG am Dienstag vorlag, müssen sie mindestens 350 Mitglieder oder zehn Mitgliedsverbände haben. Außerdem müssen sie seit vier Jahren registriert sein und dürfen nicht mehr als fünf Prozent ihrer Mittel von Unternehmen bekommen.
Die Grünen-Verbraucherexpertin Renate Künast kritisierte, dass der Entwurf das "Ergebnis eines Deals" sei. Deshalb seien die Kriterien für die Klagebefugnis so eng gefasst worden. Die Grünen fordern stattdessen eine Gruppenklage, bei der Anwälte mehrere Betroffene organisieren und ein Gruppenmitglied dann Kläger wird.
Auch mehrere Anlegerschützer-Organisationen kritisierten die hohen Anforderungen an die Klagebefugnis und warfen der Regierung vor, "Unternehmensinteressen vor Verbraucherinteressen" zu stellen.
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae kritisierte vor allem den anvisierten engen Zeitplan und forderte daher von Volkswagen einen zeitlich begrenzten Verjährungsverzicht für seine deutschen Kunden. Um das Gesetz im Bundestag "ordentlich behandeln" zu können, solle der Konzern rechtsverbindlich erklären, dass er für die kommenden zwölf Monate auf die Einrede der Verjährung verzichtet, sagte er hierzu.
Der Handelsverband kritisierte wiederum, die hohen Hürden würden in der Praxis "keinesfalls ausreichen", um unseriöse Verbände von der Klagebefugnis auszuschließen. "Wir befürchten daher weiterhin erhebliche Risiken gerade für kleine und mittelständische Unternehmen", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth im Interview. Er forderte, die Klagebefugnis solle bei einer staatlichen Stelle liegen.
Die Union erklärte, der Gesetzentwurf müsse "zügig beraten werden", damit die Klagemöglichkeit wie vereinbart in Kraft treten kann. "In der parlamentarischen Beratung werden wir besonders die Qualifikation der Verbände in den Blick nehmen, die klagebefugt sein sollen", erklärte die verbraucherpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker. So sollten Unternehmen "vor Klagen geschützt werden, an denen von vornherein nichts dran ist". Abmahnvereine dürften "kein neues Geschäftsmodell bekommen".
(L. Solowjow--BTZ)