EU-Kommission schlägt Sammelklagen als Antwort auf VW-Abgasskandal vor
EU-weite Sammelklagen als Antwort auf den VW-Abgasskandal - das will die EU-Kommission durchsetzen, um mehr Verbraucherschutz zu schaffen. Es dürfe nicht billig sein, zu betrügen, sagte Verbraucherschutzkommissarin Vera Jourova bei der Vorstellung des "New Deal for Consumers" am Mittwoch in Brüssel. Außerdem soll es bei Verstößen gegen Verbraucherrechte künftig härtere Strafen geben, und Online-Händler sollen zu mehr Transparenz angehalten werden.
Bei ihrer Forderung nach der Möglichkeit, als Gruppe gegen Verstöße gegen Verbraucherrechte vorzugehen, nimmt die Brüsseler Behörde explizit Bezug auf den VW-Abgasskandal: Während Volkswagen in den USA mehr als 22 Milliarden Dollar an Entschädigungen bezahlen müsse, hätten europäische Kunden keinen Cent gesehen, beklagte Jourova.
In nur wenigen EU-Ländern gebe es die Möglichkeit, Sammelklagen anzustrengen, und die jeweiligen Bestimmungen seien sehr unterschiedlich, hob die Verbraucherschutzkommissarin hervor. Das deutsche Recht sieht wie die meisten europäischen Rechtssysteme keine solche Möglichkeit vor. Um in einer globalisierten Welt, in der Verbraucher großen internationalen Konzernen gegenüber stünden, Verbraucherschutz gewährleisten zu können, müssten Sammelklagen aber möglich sein, sagte Jourova.
Sozialdemokraten und Grüne im Europa-Parlament begrüßten den Vorschlag. Die Bundesregierung solle sich nun im Rat für EU-weite Verbandsklagen stark machen, erklärte Jan Philipp Albrecht (Grüne). Tiemo Wölken (SPD) forderte eine Ausweitung der Regelung. Nicht nur Verbraucher, sondern etwa auch "Landwirte, die von unerlaubten Chemikalieneinträgen in Agrarflächen betroffen sind", sollten Sammelklagen anstrengen können.
Konservative und Wirtschaftsvertreter äußerten hingegen Bedenken. Nur wenn sie richtig realisiert würden, könnte der einzelne Verbraucher von Sammelklagen tatsächlich profitieren, erklärte Andreas Schwab (CDU). Sammelklagen öffneten "Missbrauch und Klagewut" Tür und Tor, warnte unterdessen der Bundesverband der Deutschen Industrie.
Kritiker verweisen oft auf die USA, wo die seit Jahrzehnten existierenden Sammelklagen zu einer Klagehäufung und hohen Anwaltskosten geführt hätten. Die Kommission betont in ihrem Vorschlag die Unterschiede zum US-Justizsystem. So sollen nur "qualifizierte Stellen" wie Verbraucherorganisationen oder unabhängige staatliche Institutionen Sammelklagen einreichen können. Außerdem soll es ein vorausgehendes Urteil eines nationalen Gerichts oder einer Behörde geben.
Weitere Forderungen des "New Deal for Consumers" sind härtere Strafen bei Gesetzesverstößen, die Verbraucher in mehreren EU-Ländern betreffen. Verbraucherschutzorganisationen sollen demnach Strafzahlungen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes der betroffenen Unternehmen in dem jeweiligen Land verhängen können. Das schließe indes nicht aus, dass die Mitgliedstaaten noch höhere Strafen beschließen, betonte die Kommission.
Außerdem soll im Online-Handel mehr Transparenz geschaffen werden. Neue Regelungen sollten Plattformbetreiber dazu verpflichten, klar und deutlich darüber zu informieren, wer tatsächlich Vertragspartner des Kunden ist oder nach welchen Kriterien die Produktangebote gelistet sind, forderte die Kommission.
Ein weiterer Punkt sieht eine Überarbeitung des Widerrufsrechts im Online-Handel vor. Bis dato können Verbraucher von online abgeschlossenen Verträgen innerhalb von 14 Tagen uneingeschränkt zurücktreten. Dem Vorschlag der Kommission zufolge soll dieses Recht zukünftig davon abhängen, ob der Kunde das Produkt bereits gebraucht hat oder nicht.
Der Europäische Verbraucherverband BEUC sieht darin eine Aushöhlung der verbraucherschutzrechtlichen Errungenschaft des Widerrufsrechts. "Eine solche Einschränkung würde sowohl beim Verbraucher als auch beim Händler zu einer großen Rechtsunsicherheit führen und eine Flut von Rechtstreitigkeiten nach sich ziehen", fürchtet auch die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt.
(U. Schmidt--BTZ)