Neuer Deutsche-Bank-Chef Sewing will "Jägermentalität" zurückgewinnen
Die Deutsche Bank hat einen neuen Chef: Mit sofortiger Wirkung löst Christian Sewing den Briten John Cryan als Vorstandsvorsitzenden von Deutschlands größtem Finanzinstitut ab, wie der Aufsichtsrat der Bank am Sonntagabend entschied. Sewing appelliert aktuell an den Teamgeist der knapp 100.000 Mitarbeiter und rief dazu auf, "unsere Jägermentalität" zurückzugewinnen. Anleger reagierten positiv auf den Wechsel an der Unternehmensspitze.
"Die Herausforderung für uns alle ist groß", schrieb Sewing in einer Nachricht an die Mitarbeiter. Angesichts des Tempos, in dem sich die Branche wandle, gebe es "nichts, worauf wir uns ausruhen können". Das größte Potenzial der Bank liege nun darin, den Teamgeist in den Mittelpunkt zu stellen. Zudem müsse die Deutsche Bank mit Blick auf die Erträge "unsere Jägermentalität zurückgewinnen".
Geschäftlicher Erfolg sei die "Lebensader" der Bank, bekräftigte Sewing. Im krassen Widerspruch dazu stehe aber, "wie wir in der Vergangenheit einige Ziele auf der Kosten- und der Ertragsseite verfehlt haben", schrieb der neue Vorstandsvorsitzende. Dies werde das Führungsteam "nicht mehr akzeptieren" und "harte Entscheidungen treffen und umsetzen".
Zu stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestimmte der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder Garth Ritchie und Karl von Rohr. Der bisherige Chef John Cryan wird die Bank zum Monatsende verlassen.
Der 47-jährige Sewing, der 1989 eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank begonnen hatte, habe "in seinen mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Bank konstant bewiesen, dass er führungsstark ist und eine große Durchsetzungskraft hat", erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner. "Der Aufsichtsrat ist überzeugt, dass es ihm und seinem Team gelingen wird, die Deutsche Bank erfolgreich in eine neue Ära zu führen."
Ende März war der bisherige Bankchef Cryan Gerüchten über seine bevorstehende Ablösung noch entgegengetreten und hatte in einer Erklärung an die Mitarbeiter versichert, "dass ich mich weiterhin mit all meiner Kraft für die Bank einsetze und gemeinsam mit Ihnen den Weg weiter gehen möchte, den wir vor rund drei Jahren angetreten haben". Der Brite führte die Deutsche Bank seit 2015, sein Vertrag lief eigentlich noch bis Mai 2020.
Cryan leitete in der Deutschen Bank weitreichende Umstrukturierungen ein, deren jüngster Schritt der Börsengang der hauseigenen Vermögensverwaltung DWS war. Außerdem hatte er zahlreiche internationale Rechtsstreitigkeiten geerbt, die zu Milliarden an Strafen und Kompensationszahlungen führten. In den vergangenen drei Jahren schrieb die Bank nur Verluste, der Aktienkurs büßte zuletzt massiv an Wert ein.
Investoren begrüßten den Wechsel an der Führungsspitze der Deutschen Bank. Die Aktie drehte am Montag nach dem Börsenstart in Frankfurt am Main deutlich ins Plus und stieg am Vormittag um rund drei Prozent.
Der ehemalige Chefvolkswirt des Finanzinstituts, Thomas Mayer, forderte die Deutsche Bank auf, sich nun auf ihre Wurzeln zu besinnen. Jetzt komme es darauf an, das Investmentbanking so auszurichten, "dass es den Kernkunden - der deutschen Industrie und den deutschen Privatkunden - dient und dass es nicht ein eigenständiges Leben führt", sagte Mayer im Bayerischen Rundfunk. "Das wird die Aufgabe für Sewing sein."
Unter Druck stehe nun aber auch Aufsichtsratschef Achleitner. "Er ist jetzt sechs Jahre in diesem Amt und in dieser Zeit hat sich der Aktienkurs katastrophal entwickelt", sagte Mayer in der Sendung "Radiowelt am Mittag". Der Neuanfang mit John Cryan sei gescheitert, "jetzt mit Sewing muss es klappen, sonst kann sich Paul Achleitner meines Erachtens nicht mehr halten als Aufsichtsratsvorsitzender".
(N. Lebedew--BTZ)