WWF: Rentiere und Kaiserpinguine besonders gefährdet
Für Rentiere, Breitmaulnashörner und Oderfische ist 2022 kein gutes Jahr gewesen: Die Bestände sind rückläufig und bedroht. Ihr Schicksal steht dabei stellvertretend für das tausender Arten, wie die Naturschutzorganisation WWF anlässlich ihrer am Donnerstag veröffentlichten Jahresbilanz der bedrohten Arten erklärte. Seit 1970 gingen die untersuchten Wirbeltierbestände demnach weltweit im Durchschnitt um 69 Prozent zurück.
Die internationale Rote Liste der gefährdeten Arten verbucht mittlerweile mehr als 42.100 Tier- und Pflanzenarten als bedroht - knapp 30 Prozent aller dort erfassten Spezies. So brach beispielsweise der Bestand der weltweit größten Population von wild lebenden Rentieren von 417.000 im Jahr 2014 auf 250.000 Tiere ein.
Kein gutes Jahr war 2022 auch für die Schwebfliegen in Europa: Mehr als ein Drittel - 314 von 890 Arten - sind der neuen Roten Liste zufolge durch Landnutzungswandel, Pestizideinsatz und Klimakrise bedroht. Ebenfalls stark gefährdet ist das Breitmaulnashorn. In den vergangenen neun Jahren fielen demnach in Afrika die Bestände durch Wilderei von 20.600 auf knapp 16.000.
Ein schlechtes Jahr war es auch für den Kaiserpinguin: Im Sommer sei es verpasst worden, die größte Pinguinart als besonders geschützte Art auszuweisen. Bei den derzeitigen Treibhausgasemissionen drohen laut WWF zwischen 80 und 100 Prozent aller bekannten Kaiserpinguin-Kolonien bis 2100 nahezu zu verschwinden.
Die Fische der Oder gehörten 2022 ebenfalls zu den großen Verlierern. Tausende Jungfische verendeten bei dem Fischsterben im Sommer. Auch die Dugongs driften dem Aussterben entgegen: Vor der ostafrikanischen Küste gibt es nur noch weniger als 250 ausgewachsene, vor Neukaledonien weniger als 900, und in China sollen die Seekühe sogar funktionell ausgestorben sein.
Allerdings konnten der Naturschutzorganisation zufolge 2022 auch einige Erfolge verzeichnet werden. So werden kommerziell gehandelte Hai- und Rochenarten in Zukunft besser geschützt. Erlaubt ist internationaler Handel mit ihnen nur noch, wenn ihre Bestände dadurch nicht gefährdet werden. Durch Asien streifen wieder mehr Tiger: In Nepal leben wieder 355 Exemplare der bedrohten Großkatzen - fast dreimal mehr als 2009 geschätzt wurden. Auch die Bestände in Bhutan, Russland, China und dem tigerreichsten Land Indien erholten sich den Angaben zufolge gut.
Das Comeback des Jahres feierten laut WWF die Spix-Aras in ihrer brasilianischen Heimat. Durch Lebensraumzerstörung und illegalen Handel gab es Anfang der 2000er Jahre nur noch 55 Spix-Aras in Menschenobhut. Dank eines Nachzuchtprogramms gibt es mittlerweile wieder etwa 290 Tiere.
In einem thailändischen Nationalpark wurden zudem wieder als ausgerottet geltende Banteng Wildrinder gesichtet; in Australien stieg die Zahl der Buckelwale von ehemals 1500 auf 40.000 bis 65.000. Und in den USA sowie auf den Kapverdischen Inseln wurden laut WWF in letzter Zeit so viele Nester der Unechten Karettschildkröten gefunden wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
"Wenn wir unsere Natur weiter in dem Tempo zerstören, gehören wir Menschen auch zu den großen Verlierern", erklärte WWF-Vorstand Christoph Heinrich. Hoffnung auf einen Stopp der Artenkrise mache das kürzlich in Montreal verabschiedete Weltnaturabkommen. Die Umsetzung müsse jetzt klappen. "Für die Rettung unseres Planeten bekommen wir keine zweite Chance", mahnte Heinrich.
I. Johansson--BTZ