Bundesregierung offensichtlich noch uneins über EU-Taxonomie
In der Bundesregierung hat es bis Freitagmittag offensichtlich noch keine Einigkeit über die Stellungnahme Deutschlands zu den Plänen der EU-Kommission zur Einstufung von fossilem Gas als "nachhaltig" gegeben. "Die Stellungnahme wird noch weiter im Ressortkreis abgestimmt", sagte Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann. Die Frist für deren Abgabe läuft an diesem Freitag um Mitternacht ab.
Keine Meinungsverschiedenheiten gibt es demnach zur Einstufung der Atomkraft. "Die Bundesregierung wird in ihrer Stellungnahme die feste Überzeugung vertreten, dass Kernenergie nicht als nachhaltig einzustufen ist", sagte Hoffmann. "Wir halten die Technologie für zu gefährlich", sagte sie; zudem sei die Endlagerfrage weiterhin nicht geklärt.
Vorsichtiger äußerte sich Hoffmann zur Einstufung von Gas. "Grundsätzlich betrachtet die Bundesregierung diese Technologie als Brückentechnologie", sagte die Regierungssprecherin. Vor allem die Grünen drängen jedoch darauf, fossiles Gas nicht deswegen auch als "nachhaltig" einzustufen. Vor allem Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat sich wiederholt in diesem Sinne geäußert.
"Die Äußerungen der Ministerin stehen für sich", bekräftigte ein Sprecher des Umweltressorts. Allerdings gehe es hier um eine Stellungnahme der Regierung als Ganzes. "Die Gespräche laufen noch, dem kann ich nicht vorgreifen", sagte er dazu weiter. Zur Atomkraft sei aber für die Regierung "die Position klar".
Ebenfalls noch offen war zunächst, ob die Stellungnahme, wenn sie denn vorliegt, veröffentlicht wird. Eigentlich sei dies nicht üblich, sagte Hoffmann. In diesem konkreten Fall sei aber noch nicht entschieden, ob es doch eine Veröffentlichung geben werde. Die Regierungssprecherin betonte außerdem, trotz der wenigen noch für eine Einigung verbleibenden Stunden werde es auf jeden Fall eine Stellungnahme geben.
Umweltverbände drängten erneut darauf, weder Atomkraft noch fossilem Gas ein Nachhaltigkeitssiegel zu geben. "Olaf Scholz muss Farbe bekennen, wie ernst es ihm mit echten Klima- und Umweltschutz ist", forderten BUND, Campact, Deutsche Umwelthilfe (DUH), Greenpeace, Nabu und weitere Organisationen den Bundeskanzler auf. Ein Aufruf der Verbände wird bisher nach deren Angaben von 330.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt.
Die Verbände pochten auch auf die Veröffentlichung der Stellungnahme der Regierung. "Es geht hier um Transparenz bei wichtigen Entscheidungen über den Klima- und Umweltschutz", erklärten sie.
DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner kritisierte, der Taxonomie-Vorschlag der EU-Kommission sei "ein Rückschritt gegenüber der geltenden Marktpraxis bei grünen Finanzprodukten". Hier seien Atomkraft und Erdgas seit Jahren schon ausdrücklich nicht als nachhaltig eingestuft.
Unabhängig vom Inhalt der deutschen Stellungnahme ist fraglich, ob die Bundesregierung die EU-Pläne stoppen kann. Bislang haben sich nur wenige EU-Staaten öffentlich gegen die Einstufung von Atomkraft und Erdgas als nachhaltig gestellt. Allerdings drohen mehrere Staaten mit Klagen vor allem hinsichtlich der Atomkraft und auch im EU-Parlament wird über die Vorlage der Kommission kontrovers diskutiert.
Lemke schloss nicht aus, dass sich auch Deutschland mit Blick auf die Atomkraft einer Klage anschließen könnte. "Wir werden alle Vorschläge und Diskussionsbeiträge in den nächsten Monaten prüfen", sagte sie der "Mitteldeutschen Zeitung".
D. Meier--BTZ