Internet und Technik: Wenn die Smartphone-App den Arbeitstakt vorgibt
Essenslieferanten auf Fahrrädern sind wohl das bekannteste Beispiel: Immer mehr Arbeit wird über digitale Plattformen vermittelt - mit weitreichenden Folgen für die Beschäftigten. Das Bundesarbeitsministerium und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wollen sich deshalb dafür einsetzen, dass faire Bedingungen und soziale Absicherung auch für diejenigen gelten, die ihre Aufträge via Smartphone-App bekommen.
"Einen sozialpolitischen Wilden Westen, der zu Ausbeutung führt, werden wir in Deutschland nicht zulassen", erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag. "Auch bei Deliveroo, Foodora und Co. dürfen die Arbeitsbedingungen nicht den Algorithmen einer App überlassen werden", forderte NGG-Chef Guido Zeitler. Nötig seien "klare Regelungen, die Ausbeutung, Scheinselbständigkeit und prekäre Beschäftigung in der Plattformökonomie wirksam verhindern".
Laut einer durch das Arbeitsministerium geförderten Studie sind bis zu fünf Prozent der Erwachsenen in Deutschland auf Plattformen aktiv, 70 Prozent davon erzielen über plattformvermittelte Tätigkeiten ein Erwerbseinkommen, oft allerdings im Nebenverdienst.
In einem Grundsatzpapier kritisieren Heil und die Gewerkschaft, dass sich bei den Essenslieferanten die Fahrer häufig selbst um ihre Arbeits- und Kommunikationsmittel, also ihre Räder, Outdoor-Kleidung oder Handys kümmern müssten. Wenn die Fahrer Arbeitsverträge hätten, seien diese "grundsätzlich sachgrundlos befristet". Ohne Arbeitsverträge seien sie wiederum als Solo-Selbständige tätig und erhielten keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, könnten keine betriebliche Interessenvertretung wählen und hätten keinen Anspruch auf Urlaub.
Auch in sich neu entwickelnden Branchen sollten die Arbeitsbedingungen am Besten im Rahmen der Tarifautonomie von den Sozialpartnern geregelt werden, heißt es in dem Papier. Dies setze voraus, dass beide Seiten bereit seien, die Bedingungen durch Tarifverträge für die Branche zu regeln. Die Plattformbetreiber hätten eine "gesellschaftliche und soziale Verantwortung".
Zugleich sei die Digitalisierung eine "Riesenchance, auch für den Einstieg in den Arbeitsmarkt, und viele, die plattformvermittelt arbeiten, tun dies mit Überzeugung", erklärte Heil. In seinem Ministerium soll nun die Denkfabrik "Digitale Arbeitsgesellschaft" die Entwicklungen in der Plattformökonomie unter die Lupe nehmen und gemeinsam mit Wissenschaftlern, Unternehmen und Beschäftigten neue Lösungen erarbeiten.