Bundesverfassungsgericht: Kein Anspruch auf Gerichtsverhandlung per Online-Chat
Ein Autist hat keinen Anspruch darauf, dass eine Gerichtsverhandlung über einen mehrwöchigen Online-Chat geführt wird. Zwar müssen Gerichte die Bedürfnisse behinderter Beteiligter berücksichtigen, dies hat aber Grenzen, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss betonte. (Az.: 1 BvR 957/18)
Der heute 42-jährige Beschwerdeführer hat Autismus in Form des Aspergersyndroms. In seiner sozialen Kommunikation ist er daher erheblich beschränkt. Mit seiner Klage verlangte er die Zuerkennung eines höheren Grads der Behinderung sowie weiteren behinderungsbedingten Nachteilsausgleich. Damit hatte er vor dem sächsischen Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz nur teilweise Erfolg.
Das reichte dem Mann nicht aus. Mit einer Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) in Kassel rügte er auch, dass das LSG eine normale mündliche Verhandlung geführt habe. Er habe aber den Wunsch gehabt, in einem über mehrere Wochen gestreckten Online-Chat an der Verhandlung teilnehmen zu können.
Das BSG war dem nicht gefolgt. Nun hatte auch die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg. Es gebe keine Pflicht der Gerichte, eine Verhandlung komplett nach den Vorstellungen eines der Verfahrensbeteiligten auszurichten. Zwar müssten Gerichte den gesundheitlichen Belangen der Beteiligten Rechnung tragen. Dies gelte aber nicht uneingeschränkt. So sei eine mündliche Verhandlung aus Gründen der Transparenz und Unmittelbarkeit "rechtsstaatlich unerlässlich".
Hier habe das LSG dem Autisten sogar angeboten gehabt, ihm zur Vorbereitung den schriftlichen Sachbericht des Gerichts zu überlassen und während der Verhandlung vor Ort per Computer zu kommunizieren. Zudem könnten Behinderte gegebenenfalls einen Verfahrensbeistand mitbringen oder sich durch einen Anwalt vertreten lassen. Dadurch würden ihre Belange ausreichend berücksichtigt, befand das Bundesverfassungsgericht.