Zensur: Bangladesch drosselt vor Parlamentswahl das gesamte Internet
Die Ermordung eines Regierungsanhängers und weitere Festnahmen von Oppositionellen haben das Ende des Wahlkampfs in Bangladesch überschattet. Ein Anhänger der regierenden Awami League sei am Donnerstagabend in der nordöstlichen Stadt Sylhet von Unterstützern der Oppositionspartei BNP zu Tode geprügelt worden, teilte die Polizei am Freitag mit. Zwei BNP-Anhänger seien festgenommen worden. Die BNP wies den Bericht zurück: Der Mann sei während eines Konflikts unter Awami-League-Anhängern ums Leben gekommen.
Es ist der dritte Awami-League-Anhänger, der seit Beginn des Wahlkampfs im November getötet wurde. Die BNP gibt an, acht ihrer Anhänger seien bei Zusammenstößen getötet worden. Nach Angaben von Polizei und BNP wurden zudem 19 Oppositionsaktivisten festgenommen, als Polizei und Paramilitärs am Freitag das Kampagnen-Büro eines BNP-Kandidaten und mehrere Dörfer im Süden des Landes stürmten.
In Bangladesch wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Kurz vor Ende des Wahlkampfs drosselten die Behörden das Internet: Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation habe die Anbieter aufgefordert, die leistungsfähigen 3G- und 4G-Mobilfunknetze am Donnerstagabend vorübergehend zu stoppen, "um die Verbreitung von Propaganda und Fehlinformationen über das Internet zu verhindern", sagte ein Behördenvertreter nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview.
Nach einer zehnstündigen Pause funktionierten die leistungsfähigen Mobilfunknetze am Freitag zunächst wieder, aber es könnte im Laufe des Tages eine erneute Aussetzung der schnellen Datenübertragung geben. Die Netze nach den 3G- und 4G-Standards ermöglichen das schnelle Surfen im Internet und die Übermittlung von Bewegtbildern und großen Dateien.
Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina strebt eine vierte Amtszeit an. Ein von der Nationalistischen Partei (BNP) angeführtes Oppositionsbündnis fordert sie heraus. Während des Wahlkampfs wurden tausende Regierungsgegner festgenommen. Die BNP-Chefin und frühere Regierungschefin Khaleda Zia sitzt wegen Korruptionsvorwürfen eine 17-jährige Haftstrafe ab.
Weil die BNP von den dominierenden Medien ignoriert wurde, war die Partei im Wahlkampf auf soziale Medien wie Facebook angewiesen. 100 Millionen Menschen sind am Sonntag zur Wahl aufgerufen. 92 Millionen Menschen in dem südasiatischen Land nutzen das Internet.