Strafrechtsänderung: Barley will Kindesmissbrauch im Netz bekämpfen
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) will im Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet das Strafrecht verschärfen. Es soll künftig bereits strafbar sein, wenn Täter nur vermeintlich mit einem Kind kommunizieren und tatsächlich mit verdeckten Ermittlern oder Eltern Kontakt haben, wie Barley sagte. Die Unionsfraktion bezeichnete den Vorstoß als überfällig.
Das sogenannte Cybergrooming ist in Deutschland bereits strafbar. Der Begriff beschreibt, dass sich Täter im Internet an Minderjährige heranmachen mit dem Ziel, sie sexuell zu missbrauchen.
"Sexuelle Missbrauchstaten werden oft im Schatten der Anonymität des Netzes angebahnt", sagte Barley nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Täter gäben sich in Chats oder Computerspielen selbst als Kinder aus und versuchten so in Kontakt mit Kindern zu kommen.
Denkt der Täter jedoch nur, er sei mit einem Kind in Kontakt, obwohl er mit einem Erwachsenen, zum Beispiel einem Polizisten, kommuniziert, muss er bisher keine Strafe fürchten. Um dies zu ändern, solle der Paragraf 176 des Strafgesetzbuches überarbeitet werden, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums am Montag in Berlin.
Sie verwies darauf, dass das stärkere Vorgehen gegen Cybergrooming schon im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei. Einen konkreten Zeitpunkt für die Reform konnte die Sprecherin nicht nennen.
Die Unionsfraktion forderte eine rasche Umsetzung. Die Änderung des Paragrafen 176 "zur Einführung der Versuchsstrafbarkeit beim Cybergrooming ist seit langem überfällig", erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). "Nach all den Jahren des Stillstands ist das Bundesjustizministerium erst auf Druck der Union aufgewacht."
Die Grünen-Politikerin Renate Künast begrüßte Barleys Vorhaben. "Kinder sind heute im Netz massiven Risiken ausgesetzt", erklärte sie. Cybergrooming sei "mittlerweile Alltag vieler Kinder" geworden. "Schutzmechanismen wie in der analogen Welt müssen auch im Internet realisiert werden", verlangte Künast.
Die Kinderschutzorganisation Deutsche Kinderhilfe sprach dagegen von einem "halbherzigen Vorgehen" der Bundesregierung. Barleys Plan sei ein "an und für sich guter Gedanke", erklärte die Organisation. "Dabei gerät jedoch schon wieder in Vergessenheit, dass unser Strafgesetzbuch bezüglich Gewalt und insbesondere sexueller Gewalt gegen Kinder dringend einer Überarbeitung bedarf."
Beispielsweise stehe die Strafandrohung bei Eigentumsdelikten "noch immer in einem eklatanten Missverhältnis zu Gewalt und sexueller Gewalt gegen Kinder", beklagte die Kinderhilfe. Bei Kinderpornografie betrage die angedrohte Höchststrafe drei Jahre, während es bei Ladendiebstahl fünf Jahre seien.
Der Vorstandsvorsitzende der Kinderhilfe, Rainer Becker, forderte auch mehr Polizeikräfte für den Einsatz im Internet. Einem Bedarf von rund 20.000 Cyberermittlern stünden "nur rund 1.850 auf diesem Gebiet tätige Beamte" gegenüber, kritisierte er.