London plant nach Brexit Einführung einer Digitalsteuer für Internetkonzerne
Großbritannien will nach dem Austritt aus der EU eine Digitalsteuer für Internetkonzerne einführen. Die Steuer solle auf die Umsätze erhoben werden, die auf britischem Boden erzielt werden, sagte Finanzminister Philip Hammond am Montag bei der Vorstellung seines Haushaltsentwurfs in London. Zugleich hob Hammond seine Wachstumsprognose für das Brexit-Jahr an und verkündete ein Ende der jahrelangen Sparpolitik.
Die neue Digitalsteuer soll nach Angaben des britischen Finanzministers ab 2020 erhoben werden. Sie trifft demnach nur Unternehmen mit einem jährlichen globalen Umsatz von mindestens 500 Millionen Pfund (563 Millionen Euro). Seine Regierung rechne ab 2020 mit Einnahmen von rund 400 Millionen Pfund pro Jahr, sagte Hammond. Weitere Details kündigte er für einen späteren Zeitpunkt an.
Mit der neuen Steuer will die britische Regierung auf den öffentlichen Unmut über die sehr geringen Steuerzahlungen großer Internetkonzerne reagieren. "Es ist nur gerecht, wenn diese weltweiten Giganten mit profitablen Geschäften im Vereinigten Königreich ihren gerechten Anteil zahlen", sagte Hammond im britischen Unterhaus. Großbritannien werde unabhängig davon aber weiterhin auf eine internationale Reform der Unternehmenssteuer drängen, fügte er hinzu.
Auf EU-Ebene sind Pläne für die Einführung einer solchen Steuer bislang nicht erfolgreich gewesen. Die EU-Kommission hatte im März eine Abgabe von drei Prozent des Umsatzes der Internetkonzerne in den EU-Staaten vorgeschlagen. Besteuert werden sollen Werbeeinnahmen und Einnahmen aus dem Handel mit Nutzerdaten. Damit will die Kommission verhindern, dass die Konzerne in EU-Länder weiterhin Milliarden umsetzen, die Gewinne dort aber kaum versteuern.
Vor allem Frankreich dringt auf einen EU-Beschluss bis Ende des Jahres. Mehrere Länder sind allerdings dagegen. Widerstand kommt insbesondere aus Irland, wo mehrere große Internetfirmen ihren Sitz haben. In Berlin gibt es Befürchtungen, die Steuer könne den Handelskonflikt mit den USA verschärfen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wirbt dafür, die Frage auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu diskutieren, der auch die USA angehören.
Bei der Präsentation des letzten Haushaltsentwurfs vor dem Brexit im kommenden Jahr äußerte sich Hammond optimistisch über die künftige Wirtschaftsleistung seines Landes: 2019, dem Jahr des Ausstiegs, werde das Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um 1,6 Prozent zulegen, sagte er. Vor sieben Monaten war die konservative Regierung noch von einem Wachstum um 1,3 Prozent ausgegangen.
Das Wirtschaftswachstum sei "beständig", sagte Hammond. Er zitierte eine Schätzung der dafür zuständigen Behörde für Haushaltsverantwortung. Sie hob die Prognose auch für 2020 an, und zwar von 1,3 auf 1,4 Prozent. Dagegen senkte Hammond die Prognosen für 2018 um 0,2 Punkte auf 1,3 Prozent.
Entschiedenes Ziel seiner Regierung sei es, auch außerhalb der EU für ein "prosperierendes" Großbritannien zu sorgen, sagte Hammond weiter. "Unsere Wirtschaft fährt damit fort, diejenigen zu verwirren, die sie schlecht reden - und wir fahren damit fort, uns entschlossen auf die künftigen Herausforderungen und Möglichkeiten zu konzentrieren, während wir neue Beziehungen mit unseren europäischen Nachbarn bilden, eine neue Zukunft außerhalb der EU".
Gleichzeitig stellte Hammond eine Ende der seit der Finanzkrise vor zehn Jahren eingeleiteten Austeritätspolitik in Aussicht. Er kündigte an, die Gelder zur Finanzierung des Brexit um eine halbe Milliarde Pfund auf 4,2 Milliarden Pfund aufzustocken. 20,5 Milliarden sollen in den kommenden fünf Jahren in den staatlichen Gesundheitsdienst fließen. Kleineren Geschäften versprach er Steuererleichterungen von 900 Millionen Pfund pro Jahr, für 420 Millionen Pfund sollen Schlaglöcher in kleineren Straßen ausgebessert werden.
Großbritannien will am 29. März die EU verlassen. Noch ist unklar, ob sich Brüssel und London vertraglich auf eine Fortführung enger Wirtschaftsbeziehungen einigen können oder ob es einen harten Bruch geben wird. Ein solcher Bruch dürfte die britische Wirtschaft nach Meinung vieler Experten schwer belasten. Hammond warnte aktuell, seine Planungen gelten nur für den Fall einer Einigung zwischen London und Brüssel.