Seehofer sieht Gefahr durch Cyber-Angriffe in Deutschland stetig wachsen
Ein mahnendes Beispiel für die Gefahr durch Cyber-Attacken ist für Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ein Angriff auf das Auswärtige Amt: Ende letzten Jahres griffen Hacker eine Lernplattform der Hochschule des Bundes an, um sich von dort Zugang in das Netz des Auswärtigen Amtes zu verschaffen. Die Angreifer scheiterten nicht nur - sie wurden auch von Experten des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) dabei beobachtet.
Seehofer lobte die Arbeit der Behörde am Donnerstag bei der Vorstellung des BSI-Lageberichts nicht nur in diesem Fall. Doch der Innenminister macht sich Sorgen, ob die Netze von deutschen Behörden, Energieversorgern oder anderen wichtigen Unternehmen auch in Zukunft solchen Angriffen stand halten.
"Die Gefährdungslage ist weiterhin angespannt, sowohl für den Staat, für die Wirtschafts als auch für die Nutzer", bilanzierte Seehofer. "Bedrohungen im Cyber-Raum haben eine hohe Dynamik." BSI-Präsident Arne Schönbohm berichtete, seiner Behörde seien mittlerweile 800 Millionen Schadprogramme bekannt. Pro Tag kämen etwa 390.000 neue Varianten hinzu. Für Mobilgeräte gebe es bereits mehr als 27 Millionen Schadprogramme allein für Android-Betriebssysteme.
Auch deutsche Unternehmen schlagen Alarm. "Die deutsche Industrie steht unter digitalem Dauerbeschuss – von digitalen Kleinkriminellen über die organisierte Kriminalität bis zu Hackern im Staatsauftrag", sagt der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Achim Berg. "Qualität und Umfang der Cyberangriffe werden weiter zunehmen."
Seit dem vorherigen Lagebericht habe sich die Situation "zugespitzt", bestätigte Schönbohm. "Und es gibt auch keinen Grund zur Annahme, dass sich das zukünftig ändern wird. Die Art der Cyberangriffe und IT-Sicherheitsvorfälle ist besorgniserregend." Denn mit der zunehmenden Digitalisierung des Alltags wachse auch die Angriffsfläche, fügte der BSI-Chef hinzu und verwies auf Künstliche Intelligenz oder autonomes Fahren.
Die Vernetzung von IT-Systemen, Alltagsgegenständen und Industrieanlagen führe dazu, dass sich die Abhängigkeit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft von funktionierender IT-Infrastruktur "täglich vergrößert", heißt es im BSI-Lagebericht. Zu Beobachten sei "eine hohe Dynamik der Angreifer bei der Weiterentwicklung von Schadprogrammen und Angriffswegen". Dies erfordere auch "auf Seiten der Verteidiger hohe Aufmerksamkeit und Flexibilität".
Seehofer machte deutlich, dass er künftig auch auf aktive Gegenwehr setzen will, um kriminellen Hackern oder auch Cyberagenten im Staatsauftrag das Handwerk zu legen. Darüber würden in der Regierung Gespräche geführt. Der Bundesinnenminister bestätigte zudem die Einschätzung der Bundesregierung, dass hinter manchen Angriffen der russische Militärgeheimdienst GRU steckt.
Seehofer will das BSI außerdem massiv ausbauen und zu einem weiteren Pfeiler der deutschen Sicherheitsarchitektur neben dem Bundeskriminalamt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundespolizei machen. Er kündigte an, sich für erweiterte Befugnisse, mehr Personal und eine starke Sachausstattung für das in Bonn angesiedelte BSI einzusetzen. Nach bisherigen Planungen soll die Behörde von rund 800 zunächst auf 1300 Mitarbeiter anwachsen.