Lobbyismus? Europas Internet-Steuer bleibt weiterhin äußerst umstritten
Europas Finanzminister haben sich bei den umstrittenen Plänen für eine stärkere Besteuerung großer Internet-Konzerne auf einen Minimalkompromiss verständigt. "In einem Kraftakt" sei das Ziel vereinbart worden, bis Jahresende eine Einigung anzustreben, sagte Österreichs Finanzminister Hartwig Löger, dessen Land den EU-Vorsitz innehat, am Samstag in Wien. Deutschland sieht aber große Probleme, und mehrere Länder fürchten Vergeltung aus den USA, woher die meisten der Internet-Riesen stammen.
Mit der Abgabe soll das Problem angegangen werden, dass Digital-Konzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon in Europa deutlich weniger Steuer zahlen als traditionelle Firmen. Grund ist, dass sie in den Ländern ihrer europäischen Kunden physisch gar nicht mit Filialen präsent sind, deren Gewinne besteuert werden könnten.
Die EU-Kommission hatte im März deshalb vorgeschlagen, zumindest vorübergehend den Umsatz und nicht mehr den Gewinn zu besteuern. Besteuert würden Werbeeinnahmen und solche aus dem Handel mit Nutzerdaten. Als Steuersatz schlägt Brüssel drei Prozent vor.
Die Minister hätten sich darauf geeinigt, auf Basis des Kommissionsvorschlages an einer EU-Lösung arbeiten, sagte Löger. Zielmarke sei der Dezember. Demnach akzeptierten die Minister einen französischen Kompromissvorschlag, die europäische Internet-Steuer mit einer "Verfallklausel" zu versehen. Sie würde demnach auslaufen, sobald auf weltweiter Ebene eine Lösung gefunden ist.
Länder wie Irland, Malta und Luxemburg gelten aber als grundsätzliche Gegner der EU-Steuer. "Wenn Europa das Thema alleine angeht", könne dies "eine Reaktion aus Ländern hervorrufen, die betroffen sind", sagte Irlands Finanzminister Paschal Donohoe. Luxemburg hatte schon im April gewarnt, die Pläne könnten den Handelskonflikt mit den USA weiter anfachen. Das exportstarke Deutschland könnte ein Problem bekommen, wenn auch Länder außerhalb der EU von Gewinn- auf Umsatzbesteuerung umstellen. Dann könnten dem deutschen Staat Einnahmen entgehen, weil Steuern nicht mehr dort erhoben werden, wo Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden, sondern dort, wo sie verkauft werden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich bei der EU-Steuer bisher auch zurückhaltend gezeigt, stellte sich am Samstag aber hinter den Zeitplan. "Den Ehrgeiz, den viele haben, auch in diesem Jahr Ergebnisse zu erzielen, den teile ich", sagte er. Denn es könne nicht sein, dass die Internet-Unternehmen hohe Gewinne machten, "aber zur Finanzierung des Gemeinwesens nirgendwo beitragen".
Scholz verwies jedoch weiter darauf, dass die mit der Steuer verbundenen Probleme "nicht ganz trivial" seien. "Also mal sehen, wie weit wir kommen", sagte er.
"Die Fragen Deutschlands sind verständlich", sagte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire. Er pochte auf eine Lösung bis Jahresende. "Die Völker Europas können nicht verstehen, dass das Steuerniveau für ihre Unternehmen um 14 Prozentpunkte höher liegt als das der Internetriesen."
Scholz und andere Minister setzten bei dem Treffen durch, dass gleichzeitig mit der Prüfung der europäischen Digital-Steuer eine neue Initiative auf internationaler Ebene gestartet wird. Zuständig ist hierfür die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der auch die USA Mitglied sind. Schnelle Ergebnisse sind auf dieser Ebene aber kaum zu erwarten.