Internet- und Telemedizin spart den Patienten Wege und viel Wartezeiten
Vor dem Ärztetag haben sich Gesundheitsexperten, Ärztevertreter und Verbraucherschützer für eine Ausweitung der Telemedizin ausgesprochen. Patienten sparten sich dadurch Wege und Wartezeiten, aber auch Ärzte würden entlastet, erklärte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands am Montag in Berlin. Die Fernbehandlung müsse aber freiwillig bleiben. "Auch in ländlichen Regionen mit Ärztemangel darf die Videosprechstunde nur eine zusätzliche Option und kein Ersatz für die ärztliche Versorgung vor Ort sein", erklärte Müller.
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht in der Telemedizin großes Potenzial. Viele Patienten wollten sich nur vergewissern, "ob es nichts Schlimmes ist", sagte er in einem Radio-Interview. In der telemedizinischen Konsultation könne der Arzt dann immer noch sehen, ob der Patient sich persönlich in der Praxis vorstellen müsse.
Vorteile der Onlinesprechstunden sieht Lauterbach nicht nur für Berufstätige, sondern auch für ältere Menschen. "Wir müssen mehr machen, um den Patienten entgegenzukommen, die vom Ärztemangel betroffen sein werden oder die nicht mobil sind." Da könne die Telemedizin sehr helfen.
Bislang dürfen Ärzte nur bereits bekannte Patienten per Telefon oder Videochat behandeln. Der 121. Deutsche Ärztetag, der am Dienstag in Erfurt beginnt, will über eine Lockerung des sogenannten Fernbehandlungsverbots diskutieren.
Eine Beschlussvorlage sieht vor, dass eine Beratung und Behandlung künftig ausschließlich über elektronische Kommunikationswege ohne vorherigen persönlichen Kontakt erfolgen kann. Dies soll "im Einzelfall" erlaubt sein, wenn dies ärztlich vertretbar sei, heißt es in der Vorlage des Vorstands der Bundesärztekammer.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die die Interessen der rund 165.000 freiberuflichen Vertragsärzte und Psychotherapeuten vertritt, steht Fernkonsultationen aufgeschlossen gegenüber. Vor einer "echten Behandlung" stehe aber immer noch die körperliche Untersuchung, stellte Vizechef Stephan Hofmeister am Montag auf der Vertreterversammlung in Erfurt klar.
Bislang gibt es in Deutschland eine Reihe verschiedener Projekte und Studien zur Telemedizin. In Baden-Württemberg ist seit Sommer 2016 eine ausschließliche ärztliche Fernbehandlung im Rahmen von Modellprojekten möglich, nachdem die dortige Landesärztekammer ihre Berufsordnung änderte.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband forderte den Gesetzgeber auf, das Fernverordnungsverbot auch für Arzneimittel aufzuheben. Bei einer Behandlung per Telefon oder Videochat dürften nach aktueller Rechtslage keine Arzneimittel verordnet werden. "Es ist absurd, wenn Patienten ihren Arzt zwar per Videochat kontaktieren können, das Rezept dann aber in der Praxis abholen müssen", kritisierte Vorstand Müller.
Rund 250 Ärzte aus ganz Deutschland beraten auf dem Ärztetag in Erfurt vier Tage lang über die Gesundheitspolitik und berufspolitische Themen. Schwerpunkte sind neben der Telemedizin die ersten Gesetzesinitiativen der neuen Bundesregierung, die Versorgung psychisch kranker Patienten und die Reform der Gebührenordnung für Ärzte.