Barley für "harte Reaktion" von Europa zum Facebook-Datenskandal
In der deutschen Politik wächst die Unzufriedenheit über den Umgang von Facebook mit dem aktuellen Datenskandal. "Es ist an der Zeit für eine deutliche Reaktion der europäischen Staaten", erklärte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) am Donnerstag. Nach Facebook-Angaben sind bis zu 309.880 deutsche Nutzer betroffen. Die Grünen forderten eine "aktive Rolle" der Bundesregierung bei der Aufklärung. Die FDP verlangte mehr Transparenz der Online-Netzwerke.
Zuletzt war bekannt geworden, dass der Datenskandal noch eine deutlich größere Dimension hat als bislang angenommen. Insgesamt wurden laut Facebook mutmaßlich die Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern "unzulässig" mit der britischen Datenanalysefirma Cambridge Analytica geteilt. Zuvor war der Internetgigant noch von rund 50 Millionen betroffenen Nutzern ausgegangen.
Cambridge Analytica hatte die Nutzerdaten mittels einer App mit einem Persönlichkeitstest abgefischt. Zwar hätten nur 65 Facebook-Nutzer in Deutschland die App installiert, über die Daten weitergegeben wurden, sagte ein Facebook-Sprecher nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen INterview. Durch die App erlangte die Firma aber auch Zugriff auf die Daten von Facebook-"Freunden" der Testteilnehmer, was die enorm hohe Zahl der Betroffenen erklärt.
"Ihre Daten wurden ohne ihr Einverständnis weitergegeben und verarbeitet", erklärte Barley. Sie erinnerte daran, dass Facebook ihr bei einem Treffen in der vergangenen Woche zugesagt habe, die betroffenen Nutzer in Deutschland zu informieren: "Ich erwarte, dass das Unternehmen diesem Versprechen umgehend und gewissenhaft nachkommt."
Die Aufklärung dürfe nicht beim Fall von Cambridge Analytica stehen bleiben, forderte die Ministerin. "Es muss geklärt werden, ob weitere App-Betreiber in großem Umfang Nutzer- und Kontaktdaten missbraucht haben." Im Mai tritt die EU-Datenschutzgrundverordnung in Kraft, die bei Verstößen zum Teil hohe Bußgelder vorsieht. "Wir werden überprüfen, ob die Möglichkeiten der neuen europäischen Datenschutzverordnung ausreichen", so Barley. Auf europäischer Ebene müssten klare Anforderungen an die Betreiber von Online-Netzwerken festgeschrieben werden.
Die Ministerin forderte außerdem erneut, dass Facebook gegenüber EU-Behörden die Funktionsweise seiner Algorithmen offenlegt. "Der Staat muss seiner Schutz- und Ordnungsfunktion auch im Netz nachkommen können", mahnte sie. Die FDP verlangte, Nutzer müssten sich informieren können, wozu die angewendeten Algorithmen führen. Generalsekretärin Nicola Beer sagte in einem TV-Interview: "Jeder Nutzer muss sicher sein, was mit seinen Daten passiert und er muss es auch zu jedem Zeitpunkt selbst kontrollieren können."
Der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz kritisierte, die Bundesregierung habe es über Jahre "bewusst unterlassen, gegenüber Facebook und anderen marktmächtigen Akteuren auf die Einhaltung von Recht und Gesetz zu pochen". Der Fraktionsvize forderte, die Modernisierung des Wettbewerbs-, Fusions- und Kartellrechts anzugehen. Die Bundesregierung müsse auch "weitreichende Maßnahmen wie eine Entflechtung der Dienste des Unternehmens prüfen", erklärte er.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg hält sich weiterhin für den Richtigen an der Unternehmensspitze. Zwar übernehme er die Verantwortung für die Weitergabe privater Nutzerdaten, er halte sich aber nach wie vor für den Richtigen, sagte er am Mittwoch in San Francisco auf eine entsprechende Frage von Journalisten. Im Leben gehe es darum, "aus Fehlern zu lernen und herauszufinden, wie man weitermachen kann".