In die deutsche Klimapolitik kommt Bewegung
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bringt Bewegung in die deutsche Klimapolitik. Nach den Sozialdemokraten mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze bekannte sich am Montag auch die CDU zu einer Verschärfung der Emissionsziele bis 2030 und darüber hinaus. Auf ein wesentlich stärkeres Umsteuern dringen allerdings die Grünen, wie Parteichef Robert Habeck in Berlin deutlich machte.
Das CDU-Präsidium beschloss am Morgen, die Absenkung der CO2-Emissionen um 65 Prozent bis 2030 in einem neuen Klimaschutzgesetz zu verankern. Treibhausgasneutralität solle in Deutschland "vor Mitte des Jahrhunderts" erreicht werden, sagte Parteichef Armin Laschet nach den Beratungen. Bislang gilt ein Klimaziel von minus 55 Prozent im Vergleich zu 1990, eine notwendige Verschärfung ergibt sich aber auch bereits aus den strengeren EU-Klimavorgaben.
Gemäß den Forderungen der Verfassungsrichter sieht der CDU-Beschluss auch neue CO2-Zwischenziele für die Jahre 2035 und 2040 vor. Einzelne Jahresschritte sollten dann für die Zeit ab 2030 später festgeschrieben und die Zielerreichung fortlaufend überprüft werden. Laschet kündigte zudem höhere CO2-Preise in den Bereichen Wärme und Verkehr an. Im Gegenzug seien für die kommende Legislaturperiode Entlastungen durch eine Abschaffung der EEG-Umlage und die Senkung der Stromsteuer geplant.
Korrekturen am Kohleausstiegsgesetz, um diesen zu beschleunigen, lehnte Laschet allerdings ab. "Wenn man ein Versprechen gemacht hat, sollte man da als Gesetzgeber nicht ständig nachlegen", sagte der CDU-Chef mit Blick auf das bisherige Enddatum spätestens 2038. Laschet verwies dabei auf den notwendigen Strukturwandel in Ostdeutschland. Im Westen solle dagegen eine Beschleunigung des Ausstiegs geprüft werden.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte an, sein Land solle bereits bis 2040 klimaneutral sein. Bundesweit plädierte auch der CSU-Chef für die Absenkung der Emissionen um 65 Prozent bis 2030. Den Kohleausstieg will Söder nach dem Motto "mehr Kohle für Kohle" durch finanzielle Anreize beschleunigen. Mehr Geld solle zudem in den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und mehr Solaranlagen fließen.
Schulze hatte bereits am Wochenende angekündigt, sie wolle in dieser Woche einen Entwurf für ein neues Klimaschutzgesetz vorlegen und der Union eine Blockade des Ausbaus der Erneuerbaren vorgeworfen. Über die Neuregelungen soll in den kommenden Tagen in der Koalition, aber auch mit Grünen und FDP gesprochen werden.
Grünen-Chef Robert Habeck bekräftigte die Bereitschaft seiner Partei zu einem gemeinsamen Vorgehen, stellte aber auch klare Forderungen, die teils deutlich über die Pläne von Union und SPD hinausgehen. Als Eckpunkte nannte er die Verringerung des CO2-Ausstoßes um minus 70 Prozent, das Ende der Kohleverstromung, und das Aus für Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotor bis jeweils 2030 sowie parallel die Verdopplung des Ausbautempos bei den erneuerbaren Energien.
Der CO2-Preis für Wärme und Verkehr solle bis 2023 auf 60 Euro pro Tonne angehoben werden, verlangte Habeck. Die Mehreinnahmen sollten aber den Menschen komplett zurückgegeben werden, am besten durch einen "jährlichen Scheck für jeden Haushalt", ansonsten auch durch eine Senkung oder Abschaffung. Das Urteil des Verfassungsgerichts habe klargestellt: "Klimaschutz ist Freiheitsschutz", betonte Habeck weiter.
Unterdessen begannen die Fachberatungen im Rahmen des internationalen Petersberger Klimadialogs, der diesmal digital stattfindet.
(O. Petrow--BTZ)