Ärzte bangen um Leben der Nervengift-Opfer von Salisbury
Nach dem Nervengift-Anschlag in Großbritannien bangen die Ärzte um das Leben der Opfer. Innenministerin Amber Rudd stufte den Zustand des russischen Ex-Spions Sergej Skripal und seiner Tochter Julia am Donnerstag als "sehr ernst" ein. Beide seien weiter bewusstlos, sagte sie vor dem Parlament in London. Britische Politiker nahmen erneut Russland ins Visier und forderten scharfe Konsequenzen, sollte sich der Verdacht gegen Moskau erhärten.
Der 66-jährige Skripal rang einem Bericht der Londoner "Times" zufolge mit dem Tode. "Die Befürchtung ist, dass er es nicht schaffen wird", zitierte die Zeitung eine ungenannte Regierungsquelle. Für Skripals Tochter gebe es mehr Hoffnung: "Die Ärzte hoffen auf eine Genesung."
Besser sah es für den Polizisten aus, der den beiden zu Hilfe kommen wollte und dabei offenbar mit dem Gift in Kontakt kam. Er sei wieder ansprechbar und bei Bewusstsein, sagte Innenministerin Rudd im Unterhaus. Sein Zustand bleibe aber "ernst".
Am Mittwoch hatte die britische Anti-Terror-Polizei bekannt gegeben, dass Skripal und seine Tochter zum Ziel eines "Mordversuchs durch Anwendung eines Nervenkampfstoffs" wurden. Sie waren am Sonntag bewusstlos auf einer Bank vor einem Einkaufszentrum in Salisbury gefunden worden.
Der Verdacht richtete sich schnell gegen Russland. "Sobald die Tatsachen klarer werden, wird diese Regierung ohne Umschweife handeln", sagte Innenministerin Rudd. Die Ministerin kündigte eine "robuste und angemessene" Reaktion gegen die Drahtzieher an.
Dieselben Worte hatte am Dienstag bereits Außenminister Boris Johnson gebraucht. Johnson hatte klar ausgesprochen, dass sich sein Verdacht gegen Russland richte. Innenministerin Rudd vermied eine offene Schuldzuweisung. Sie kündigte an, "alles zu tun", um die Täter zu ermitteln. "Der Einsatz von Nervengift auf britischem Boden ist ein kaltblütiger und empörender Akt."
Der konservative Abgeordnete Nick Boles forderte einen Bruch mit Moskau, sollte sich die Spur nach Russland bestätigen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir diplomatische Beziehungen zu einem Land pflegen, das Menschen auf britischem Boden zu ermorden versucht", erklärte er.
Die britische Polizei hatte nach eigenen Angaben hunderte Anti-Terror-Ermittler "rund um die Uhr" im Einsatz. Zu ihren Aufgaben zähle zunächst, Bildmaterial aus Überwachungskameras in Salisbury auszuwerten. Ziel sei es, ein genaues Bewegungsprofil Skripals und seiner Tochter in den Stunden vor dem Anschlag zu erstellen.
Einem Bericht der "Times" zufolge war Skripals Tochter in der vergangenen Woche aus Moskau nach London gereist und hatte "Geschenke von Freunden" für ihren Vater dabei. Es werde untersucht, ob diese möglicherweise das Gift enthielten.
Augenzeugen berichteten britischen Medien, dass sich Skripal am Sonntag kurz vor dem Anschlag beim Mittagessen mit seiner Tochter in einer Pizzeria sehr auffällig benommen habe. "Er ist absolut durchgedreht, ich habe aber nicht verstanden warum", sagte ein Augenzeuge der "Times". "Er schien körperlich nicht krank zu sein, aber mental - so wie er herumgeschrien hat."
Skripal war 2006 in Russland wegen des Vorwurfs der Spionage für Großbritannien zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Er soll russische Agenten an den britischen Geheimdienst MI6 verraten haben. Im Zuge eines Gefangenenaustauschs zwischen Russland und den USA kam er 2010 nach Großbritannien.
(A. Walsh--BTZ)