Historisches zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump steht bevor
In den USA steht der historische zweite Impeachment-Prozess gegen den früheren Präsidenten Donald Trump unmittelbar bevor: Im Senat beginnt am Dienstag das Verfahren gegen den Republikaner wegen Anstiftung zum Aufruhr. Die Demokraten des neuen Präsidenten Joe Biden machen Trump für die gewaltsame Erstürmung des Kapitols am 6. Januar mit fünf Toten verantwortlich. Eine Verurteilung des Republikaners gilt aber als extrem unwahrscheinlich.
Trump ist der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden. Im ersten Verfahren wegen der Ukraine-Affäre war er vor einem Jahr freigesprochen worden. Trump ist zudem der erste frühere Staatschef, der sich nach seinem Ausscheiden aus dem Amt einem Senatsprozess stellen muss.
Das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus hatte genau eine Woche nach der Kapitol-Erstürmung - und genau eine Woche vor dem regulären Ende von Trumps Amtszeit - ein Amtsenthebungsverfahren gegen den 74-Jährigen eingeleitet.
Die Demokraten werfen Trump vor, radikale Anhänger mit einer aufwieglerischen Rede zum Sturm auf das Kapitol angestiftet zu haben, wo am 6. Januar Bidens Wahlsieg endgültig bestätigt werden sollte. Sie beschuldigen den Republikaner zudem, mit grundlosen Wahlbetrugsvorwürfen über Monate die Spannungen im Land angeheizt zu haben. Der Amtsinhaber hatte die Präsidentschaftswahl vom 3. November klar gegen seinen Herausforderer Biden verloren.
"Die Beweise für das Verhalten von Präsident Trump sind überwältigend", erklärten die neun demokratischen Abgeordneten, die im Senat die Anklage gegen Trump führen, am Montag. "Seine Anstiftung zum Aufruhr gegen die Regierung der Vereinigten Staaten - die den friedlichen Machttransfer durchkreuzte - ist das schlimmste Verfassungsverbrechen, das je von einem Präsidenten begangen wurde."
Laut Medienberichten wollen die neun als Ankläger fungierenden Demokraten bei dem Prozess umfassendes Videomaterial von Trumps Auftritten und der Kapitol-Erstürmung vorführen. Sie wollen damit eine emotionale Anklage führen, die sich nicht nur an die Senatoren - die Geschworenen im Impeachment-Prozess - sondern an die gesamte Öffentlichkeit richtet. Die Demokraten haben Trump zudem zu einer Aussage unter Eid aufgefordert, was dieser aber abgelehnt hat.
Trumps Anwälte dürften in erster Linie argumentieren, der Prozess sei verfassungswidrig: Der Senat könne nur amtierenden, nicht aber früheren Präsidenten den Prozess machen. Die Demokraten und viele Rechtsexperten weisen diese Auslegung der Verfassung zurück.
Am Montag forderten die Verteidiger des Ex-Präsidenten den Senat auf, die Impeachment-Klage gegen Trump abzuweisen. In einem 78 Seiten langen Schreiben an die Parlamentskammer hieß es, der "Hunger der Demokraten im Repräsentantenhaus nach solchem politischen Theater" sei eine "Gefahr für unsere republikanische Demokratie und die Rechte, die uns teuer sind".
Bei einem Schuldspruch könnte der Senat Trump in einem weiteren Schritt von künftigen öffentlichen Ämtern auf Bundesebene ausschließen. Dann wäre auch eine Präsidentschaftskandidatur 2024, mit der Trump in der Vergangenheit geliebäugelt hatte, vom Tisch.
Allerdings gilt eine Verurteilung als nahezu ausgeschlossen. Für einen Schuldspruch ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Weil Demokraten und Republikaner gleichermaßen 50 Senatoren stellen, müssten mindestens 17 Republikaner mit den Demokraten stimmen. Das gilt als höchst unwahrscheinlich - zumal Trump bei großen Teilen der Partei und der Basis nach wie vor großen Rückhalt genießt.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos vom Wochenende sind zwar 56 Prozent der US-Bürger der Meinung, Trump sollte verurteilt und von künftigen Ämtern ausgeschlossen werden. Bei den Anhängern der Republikaner sind es aber nur 15 Prozent.
Während die Demokraten Trump für sein Verhalten nach der Wahl zur Rechenschaft ziehen wollen, gibt es in der Regierungspartei auch große Vorbehalte gegen einen langen Impeachment-Prozess: Viele argumentieren, es sei wichtiger, schnell die von Biden geplanten Corona-Hilfen auf den Weg zu bringen und Reformvorhaben des Präsidenten zu verabschieden.
(P. Rasmussen--BTZ)