EU-Staats- und Regierungschefs wollen beim Kommissionschef letztes Wort
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei der Auswahl des nächsten Präsidenten der EU-Kommission das letzte Wort behalten. Zur direkten Ernennung eines "Spitzenkandidaten" der Parteien bei der Europawahl 2019 zum Kommissionschef gebe es "unterschiedliche Meinungen", sagte ein hochrangiger EU-Vertreter nach den Beratungen des EU-Gipfels zu dem Thema am Freitagnachmittag in Brüssel.
Es bestehe aber "vollständige Einigkeit" darüber, dass es bei der Bestimmung des Kommissionspräsidenten "keinen Automatismus" geben werde, sondern dies "eine autonome Entscheidung" der Staats- und Regierungschefs bleibe. Bei der Europawahl 2014 hatten die Parteien erstmals "Spitzenkandidaten" aufgestellt. Stärkste Fraktion wurde damals die konservative Europäische Volkspartei (EVP), die mit dem Luxemburger Jean-Claude Juncker ins Rennen gegangen war. Er wurde dann tatsächlich Kommissionspräsident, musste aber erst massive Vorbehalte bei einigen Staats- und Regierungschefs überwinden.
Die Parteien im Europaparlament haben sich bereits darauf festgelegt, auch bei der nächsten Wahl im Frühjahr 2019 wieder Spitzenkandidaten aufzustellen. Sie fordern, dass einer dieser Kandidaten Kommissionspräsident wird - wenn auch nicht unbedingt derjenige, dessen Partei die meisten Stimmen hat.
Zustimmung fand bei den Staats- und Regierungschefs der Vorschlag des Europaparlaments, dieses nach dem Brexit von 751 auf 705 Abgeordnete zu verkleinern, werde weitgehend unterstützt, sagte der belgische Regierungschef Charles Michel. Ein Teil der wegfallenden 73 britischen Mandate soll dabei auf unterrepräsentierte Staaten verteilt werden. Der EU-Vertreter sagte, eine endgültige Entscheidung werde dazu beim Gipfel im Juni fallen.
Im Europaparlament hatte der Wunsch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron keine Mehrheit gefunden, freiwerdende Mandate für transnationale Wahllisten zu nutzen. Auch die Staats- und Regierungschefs sehen dafür noch kein Modell für die Europawahl 2019. Der Vorschlag soll nun mit Blick auf die Wahl 2024 weiter in Betracht gezogen werden. Michel sprach von "einer interessanten Idee zur Stärkung der europäischen Demokratie".
Juncker sprach bei dem Gipfel die Frage an, ob in der künftigen Kommission weiter jeder Mitgliedstaat mit einem eigenen Kommissar vertreten sein solle, wie der EU-Vertreter sagte. "Alle Mitgliedstaaten haben sich dagegen ausgesprochen, die Größe (der Kommission) zu verringern." Entschieden werde darüber aber erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Ablehnung gab es auch für Junckers Vorschlag, das Amt des Kommissionschefs und des Präsidenten des EU-Rats der Mitgliedstaaten zu verschmelzen. "Niemand hat das unterstützt", sagte der EU-Vertreter. "Ich denke, das ist vom Tisch."
(A. Bogdanow--BTZ)