Koalition in Sachsen-Anhalt regiert trotz Streits um Rundfunkbeitrag weiter
Die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt regiert trotz des Streits um den Rundfunkbeitrag vorerst weiter. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zog die Regierungsvorlage für den Medienstaatsvertrag, über die der Landtag abstimmen sollte, am Dienstag zurück. Das Parlament wird sich nicht wie geplant noch im Dezember mit der in der schwarz-rot-grünen Koalition umstrittenen Beitragserhöhung befassen. Allerdings blockiert Sachsen-Anhalt damit die zum Jahresbeginn geplante bundesweite Anhebung des Rundfunkbeitrags.
Die Koalition in Sachsen-Anhalt hatte seit Tagen um ihren Fortbestand gerungen. Die CDU lehnt den neuen Medienänderungsstaatsvertrag, der eine Beitragsanhebung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um 86 Cent zum 1. Januar vorsieht, ab. Auch die AfD will dem nicht zustimmen. Im Landtag haben beide Parteien zusammen eine Mehrheit.
SPD und Grüne beharrten bislang auf einer Zustimmung zu dem Staatsvertrag und drohten bei einem gemeinsamen Veto von CDU und AfD im Parlament mit einem Ende der Koalition. Die Landtagsabstimmung ist mit der Entscheidung von Haseloff nun hinfällig.
"Mit dieser Lösung geht die Koalition gefestigt aus der Krise hervor und wird ihre Arbeit zum Wohle des Landes bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzen", erklärte der Ministerpräsident. In Sachsen-Anhalt wird im Juni ein neuer Landtag gewählt.
Der CDU-Politiker verteidigte seine Position. Die Stabilität des Landes und die Arbeitsfähigkeit von Regierung und Institutionen hätten vor allem wegen der Corona-Pandemie "absolute Priorität", sagte Haseloff vor Journalisten. Er bekräftigte, dass es keinerlei Zusammenarbeit oder auch nur indirekte Entscheidungsprozesse "mit der AfD geben darf".
Die Koalitionspartner kritisierten das vorläufige Scheitern des Staatsvertrags, sie wollen dennoch an dem Bündnis festhalten. "Unter normalen Umständen wäre dies der Moment, eine solche Koalition zu verlassen - derzeit sind aber keine normalen Zustände", erklärte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann mit Blick auf die steigenden Corona-Zahlen.
Lüddemann warf der CDU vor, diese habe dem Land "großen Schaden" zugefügt. Sachsen-Anhalt sei nunmehr "bundespolitisch isoliert". Grünen-Landeschef Sebastian Striegel betonte, seine Partei wolle "aus staatspolitischer Verantwortung" weiterhin eine handlungsfähige Regierung gewährleisten.
SPD-Fraktionschefin Katja Pähle erklärte, dies sei "kein guter Tag für die Medienpolitik". Die SPD erkenne zugleich an, "dass der Ministerpräsident seine Entscheidung mit dem Ziel getroffen hat, eine gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD zu verhindern und so die Koalition zu erhalten", betonte Pähle.
Damit der Medienänderungsstaatsvertrag mit der Beitragserhöhung auf 18,36 Euro ab Januar in Kraft treten könnte, müssten alle Landtage bis Jahresende zustimmen. Fehlt nur ein Landesparlament, ist der Staatsvertrag hinfällig. Für diesen Fall kündigten bereits einige Sender den Gang vor das Bundesverfassungsgericht an.
Die Blockade des neuen Rundfunkstaatsvertrags sorgte auch für Verärgerung in der Bundespolitik. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bescheinigte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland ein "totales Scheitern" und gab der Bundes-CDU wegen deren "Führungslosigkeit" eine Mitverantwortung. Linken-Chefin Katja Kipping warf der CDU in der "tageszeitung" ein "pures Einknicken" vor der AfD vor.
Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der CDU-Bundesspitze laut RND "Führungsversagen" im Rundfunkstreit vor. Grünen-Chef Robert Habeck sagte der "Rheinischen Post", die CDU in Sachsen-Anhalt stehe "faktisch am Ende ihrer Regierungsfähigkeit". Haseloff habe die Unterstützung seiner Partei und Fraktion "völlig verloren".
Die Bundesspitze der AfD wertete die Vorgänge in Sachsen-Anhalt hingegen als Erfolg. "Ohne die AfD hätte man die Beitragserhöhung wie immer einfach durchgewunken", erklärte AfD-Vizechef Stephan Brandner.
(D. Fjodorow--BTZ)