Merkel kämpft im Haushaltsstreit mit Ungarn und Polen
Im EU-Haushaltsstreit mit Polen und Ungarn steht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von allen Seiten unter Druck. Polens Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki drohte ihr am Freitag weiter mit einer Blockade des EU-Haushalts und des damit verbundenen Corona-Hilfsfonds. Andere EU-Länder warnten ihrerseits den deutschen EU-Vorsitz vor Zugeständnissen an Warschau und Budapest.
Ungarn und Polen hatten vergangene Woche ihre Zustimmung zu einem 1,8 Billionen Euro schweren Finanzpaket bestehend aus dem EU-Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre und dem Corona-Hilfsfonds verweigert. Grund sind Pläne, EU-Gelder bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Grundsätze künftig zu kürzen. Insbesondere Länder im Süden Europas fürchten nun, dass sich die ab Jahresbeginn geplante Auszahlung ihrer dringend benötigten Corona-Hilfen verzögern wird.
Die Führung der Verhandlungen mit Polen und Ungarn hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Der deutsche EU-Botschafter informierte am Freitag seine Kollegen, dass es "keine Fortschritte" in den Gesprächen mit Warschau und Budapest gebe, wie ein EU-Diplomat sagte. Die Vertreter Polens und Ungarns seien bei dem Treffen in Brüssel "völlig isoliert" geblieben.
"Ich habe unsere Bereitschaft bekräftigt, ein Veto gegen den neuen Haushalt einzulegen", erklärte seinerseits Morawiecki am Freitag nach einem Telefonat mit Merkel. Polen erwarte "weitere Anstrengungen, um so schnell wie möglich eine Lösung zu finden, die Rechte aller Mitgliedstaaten garantiert sowie die EU-Verträge respektiert".
Morawiecki hatte sich am Donnerstag bei einem Treffen in Budapest mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban abgestimmt. Beide forderten dabei eine "substantielle Veränderung" des mit dem EU-Parlament vereinbarten Rechtsstaatsmechanismus. "Niemand hat Unterstützung für ihre Position geäußert", sagte der Diplomat nach den Beratungen der EU-Botschafter. Kein anderes Land wolle die von Ungarn und Polen geforderten Änderungen in der Rechtsstaatsfrage.
Ein weiterer EU-Diplomat sprach von einer "wirkliche verhärteten Stimmung" unter den Mitgliedstaaten. Der französische Botschafter habe gewarnt, dass Zugeständnisse "ein Nachgeben gegenüber der illiberalen Demokratie" sei, die Paris nicht mittragen werde.
Dies sei als "eine Warnung an Berlin, nicht an Budapest oder Warschau" verstanden worden, sagte der Diplomat. Denn Merkel wolle offensichtlich versuchen, Ungarn und Polen zufriedenzustellen. "Aber da folgt ihr niemand." Eine "pragmatische Lösung", bei der sich Ungarn und Polen mit schriftlichen Zusicherungen zufrieden geben, ist demnach inzwischen vom Tisch.
Einige EU-Länder forderten dem ersten Diplomaten zufolge bereits, über "andere Optionen" nachzudenken. Was dies genau heißt, blieb offen. Diskutiert wird in Brüssel über die Möglichkeit, den Corona-Hilfsfonds notfalls aus dem EU-Haushalt zu lösen und als zwischenstaatliche Vereinbarungen ohne Polen und Ungarn aufzustellen. Dies gilt aber als rechtlich kompliziert und dürfte gleichfalls zu deutlichen Verzögerungen beim Start des Fonds führen. (I. Johansson--BTZ)