Paritätischer Verband: Armut in Deutschland auf Rekordhoch
Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht die Armut in Deutschland auf einem Rekordhoch. Rund 13,2 Millionen Menschen lebten im vergangenen Jahr in Armut, wie aus dem am Freitag veröffentlichten Armutsbericht des Verbands hervorgeht. Die Armutsquote in Deutschland habe mit 15,9 Prozent den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht.
Dass bei allen ohnehin seit Jahren besonders armutsbetroffenen Gruppen wie Alleinerziehenden, Arbeitslosen und kinderreichen Familien die Armut von 2018 auf 2019 noch einmal zunahm, nannte der Wohlfahrtsverband "alarmierend". Jeder dritte erwachsene Arme ist demnach erwerbstätig (33 Prozent) oder in Rente (knapp 30 Prozent).
Dabei ist Deutschland zweigeteilt. Im Süden haben Bayern und Baden-Württemberg eine gemeinsame Armutsquote von 12,1 Prozent. Der Rest der Republik, vom Osten über den Norden bis in den Westen, kommt dagegen zusammen auf eine Quote von 17,4 Prozent. Außerhalb Bayerns und Baden-Württembergs lebt durchschnittlich mehr als jeder Sechste unterhalb der Armutsgrenze.
Das problematischste Bundesland bleibt dem Bericht zufolge Nordrhein-Westfalen. Seit 2006 wuchs die Armutsquote in dem bevölkerungsreichen Bundesland zweieinhalbmal so schnell wie die gesamtdeutsche Quote. Armutstreiber in Nordrhein-Westfalen ist das Ruhrgebiet mit einer Armutsquote von 21,4 Prozent.
Der Paritätische warnte vor einer drastischen Verschärfung der Armut in diesem Jahr wegen der Coronakrise. Besonders betroffen seien geringfügig Beschäftigte sowie junge Menschen, die coronabedingt schon jetzt unter wachsender Arbeitslosigkeit litten. "Corona hat jahrelang verharmloste und verdrängte Probleme, von der Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte bis hin zur Bildungssegregation armer Kinder, ans Licht gezerrt", erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.
Der Verband forderte die sofortige Anhebung der finanziellen Unterstützungsleistungen für arme Menschen sowie armutsfeste Reformen der Sozialversicherungen. Deutschland sei "ein in wachsender Ungleichheit tief zerrissenes Land", kritisierte Schneider.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bekräftigte angesichts der Zahlen seine Forderung nach einem Mindestlohn von zwölf Euro und eine Kindergrundsicherung. Dass jeder Dritte trotz Arbeit von Armut betroffen sei, "bleibt ein besonderer Skandal in Deutschland im 21. Jahrhundert", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.
(L. Solowjow--BTZ)