Krieg: Türkische Armee beschießt Assad-Truppen im syrischen Afrin
Die syrische Regierung ist den bedrängten Kurden im Norden des Lands mit Truppen zu Hilfe gekommen und umgehend unter Beschuss der türkischen Armee geraten. Regierungstreue Einheiten seien bei ihrer Ankunft in Afrin mit Artilleriefeuer angegriffen worden, meldete die syrische Staatsagentur Sana am Dienstag. Türkische Medien sprachen von "Warnschüssen". Die syrische Armee setzte derweil die Luftangriffe auf die Rebellenhochburg Ost-Ghuta bei Damaskus trotz internationaler Kritik unvermindert fort.
Der Beschuss der syrischen Regierungstruppen in Afrin erfolgte kurz nachdem die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) mitgeteilt hatten, dass Damaskus auf ihre Einladung hin "militärische Einheiten" in die Region geschickt habe. Sie sollten Stellung an der Grenze zur Türkei beziehen, um sich "an der Verteidigung der territorialen Einheit Syriens und seiner Grenze zu beteiligen". Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von einem Konvoi mit hunderten regierungstreuen Kämpfern.
Die Türkei hatte zuvor gewarnt, dass sie auch gegen syrische Truppen militärisch vorgehen werde, sollten sie der YPG zu Hilfe kommen. Die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete nun über "Warnschüsse", die "regierungstreuen Terrorgruppen" hätten sich daraufhin rund zehn Kilometer vor Afrin-Stadt zurückgezogen. Ankara betrachtet die Präsenz der YPG an der türkischen Grenze wegen ihrer Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Bedrohung und geht seit einem Monat militärisch gegen die Kurden in Afrin vor.
Syrische Staatsmedien hatten am Montag berichtet, dass regierungstreue Einheiten sich dem Kampf gegen die türkische Armee anschließen wollten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte deshalb am Montagabend mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin und Irans Präsident Hassan Ruhani, die in dem Konflikt die syrischen Regierung unterstützen. Erdogan drohte am Dienstag, "in den kommenden Tagen" Afrin-Stadt unter Belagerung zu nehmen. Allerdings kommen die türkische Armee und verbündete syrische Rebellen wegen des heftigen Widerstands der YPG bisher nur langsam voran. Laut der Beobachtungsstelle eroberten sie bisher nur 45 Dörfer in Grenznähe.
Nach Angaben der oppositionsnahen Organisation wurden im Zuge der "Operation Olivenzweig" bisher 32 türkische Soldaten, 205 verbündete Rebellen, 219 kurdische Kämpfer und 112 Zivilisten getötet. Die Türkei weist Berichte über zivile Opfer vehement zurück. Für Medien sind die Zahlen der Beobachtungsstelle nicht zu überprüfen.
Afrin steht seit 2012 unter Kontrolle der YPG. Die syrische Zentralregierung hat den türkischen Angriff auf die weitgehend autonome Region zwar verurteilt, schritt aber nicht ein, nachdem die Regionalverwaltung abgelehnt hatte, Afrin wieder ihrer Kontrolle zu übergeben. Später rief die YPG aber angesichts der türkischen Offensive Damaskus um Hilfe. Syriens Machthaber Baschar al-Assad ist entschlossen, das ganze Staatsgebiet wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Seine Truppen gehen daher seit Ende Dezember auch gegen die beiden Rebellenhochburgen Idlib und Ost-Ghuta vor. Offenbar steht die Armee kurz vor einer Bodenoffensive gegen die seit Jahren belagerte Enklave Ost-Ghuta nahe der Hauptstadt Damaskus.
Trotz eines internationalen Aufschreis bombardiert die syrische Armee Ost-Ghuta seit Tagen ohne Unterlass. Nachdem es am Montag bei dem blutigsten Tag seit Jahren laut der Beobachtungsstelle 127 Tote gegeben hatte, wurden auch am Dienstag 66 Menschen getötet, darunter 13 Kinder. Viele Einwohner flohen in Keller, die Krankenhäuser waren völlig überfüllt.
Das Kinderhilfswerk Unicef zeigte sich entsetzt über die Angriffe auf schutzlose Zivilisten: "Keine Worte werden den getöteten Kindern, ihren Müttern, ihren Vätern und ihren geliebten Angehörigen gerecht", erklärte Unicef-Generaldirektor Geert Cappelaere.
Der UN-Hilfskoordinator Panos Mumtsis forderte ein sofortiges Ende der Luftangriffe. "Die humanitäre Lage der Zivilisten in Ost-Ghuta ist völlig außer Kontrolle", erklärte er. Die Exilopposition warf Assads Truppen einen "Vernichtungskrieg" vor und kritisierte das "internationale Schweigen" angesichts der "Verbrechen" der syrischen Führung.
(B. Semjonow--BTZ)