Wehrbeauftragter: "Große Lücken bei Personal und Material" in Bundeswehr
Große Lücken bei Personal und Material in der gesamten Bundeswehr: In seinem Jahresbericht übt der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), scharfe Kritik. "Die Materiallage bleibt dramatisch schlecht, an manchen Stellen ist sie noch schlechter geworden", sagte er am Dienstag bei der Vorstellung der Berichts für 2017. SPD, Grüne und Linke bemängelten die Zustände in der Bundeswehr ebenfalls massiv.
"Oberhalb der Mannschaftsebene sind 21.000 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren nicht besetzt", sagte Bartels. Zum Jahresende 2017 seien alle sechs deutschen U-Boote außer Betrieb gewesen. "Die fliegenden Verbände beklagen zu Recht, dass ihnen massiv Flugstunden für die Ausbildung der Besatzungen fehlen." Zu viele Maschinen seien an zu vielen Tagen im Jahr nicht einsatzklar. Auf die Frage, ob sich in dem Berichtsjahr auch etwas zum Positiven geändert habe, sagte Bartels: "Die Verbesserung liegt im Bewusstsein der Defizite." Er räumte aber auch ein, die Bundesregierung habe "nicht unrecht, wenn sie darauf verweist, dass Trendwenden Zeit brauchen".
Der Wehrbeauftragte schlug vor, wenigstens einzelne Projekte schneller auf den Weg zu bringen. "Viele Soldatinnen und Soldaten wünschen sich an der einen oder anderen Stelle eine Art Befreiungsschlag in Sinne schneller Beschaffungs-Pakete."
Der von Bartels beklagte Materialmangel war zuvor bereits in den Medien thematisiert worden. BERLINER TAGESZEITUNG erfuhr dazu, für ihren Einsatz bei der schnellen Eingreiftruppe der Nato fehle es an ausreichend Schutzwesten, Winterbekleidung und Zelten. Die "Welt" berichtete, es gebe nicht genügend einsatzbereite Kampf- und Schützenpanzer, Nachtsichtgeräte und Granatmaschinenwaffen. Zudem hatten zahlreiche Skandale die Bundeswehr erschüttert. Es soll sexuelle Übergriffe und Misshandlungen gegeben haben, im niedersächsischen Munster war ein Offiziersanwärter nach einem Übungsmarsch gestorben. Auch wegen mutmaßlich rechtsextremer Vorfälle war die Bundeswehr in die Schlagzeilen geraten.
Bartels beobachtet einen "schleichenden Verfall" und ein "strukturelles Defizit" bei der Vermittlung politisch-historischen Wissens, obwohl Kenntnisse über die Verbrechen der Wehrmacht vorhanden seien. Dass den Soldaten bestimmte Werte nicht im Unterricht vermittelt worden seien, "mag eine Erklärung dafür sein, dass in einigen der angesprochenen Fälle über Monate hinweg niemand von sich aus aktiv wurde", mutmaßte er.
Außerdem thematisiert sein Jahresbericht das "Übermaß an Zentralisierung und Bürokratisierung": "Die Verregelung von allem und jedem durch tausende von selbstgemachten Bundeswehr-Vorschriften erstickt das Prinzip des Führens mit Auftrag." Auch um die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver zu machen, könne dem entgegengewirkt werden.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter übte scharfe Kritik an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). "Frau von der Leyen ist mit einem Jahresbudget von 37 Milliarden Euro nicht in der Lage, die Soldatinnen und Soldaten mit notwendiger Grundausrüstung auszustatten", erklärte er.
SPD-Verteidigungspolitiker Wolfgang Hellmich sagte hierzu gegenüber Medienvertretern, das Vertrauen in von der Leyen sei bereits erschüttert. "Die Nachrichten über die Ausrüstungsmängel verstärken diese Erschütterung." "Offensichtlich steht bei der Bundeswehr nicht der Mensch im Mittelpunkt, sondern die Ausweitung der immer zahlreicheren Auslandseinsätze", erklärte die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz. Sie verwies auf rechtsextreme Verdachtsfälle sowie die Meldungen über sexuelle Übergriffe.
(L. Solowjow--BTZ)