Wachsende internationale Spannungen prägen Münchner Sicherheitskonferenz
Auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz sind die wachsenden Spannungen im internationalen Staatengefüge offen zutage getreten. Die wachsende Großmachtrivalität zwischen den USA und Russland, die spürbare Entfremdung zwischen den USA und den traditionellen Verbündeten in Europa und der neue Machtanspruch Chinas dominierten die hochkarätig besetzten Gesprächsrunden am Wochenende. Die Welt stehe an einem "Abgrund", warnte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD).
Während die Europäer in München ihren Willen zu einer politisch und militärisch handlungsfähigeren Europäischen Union im Verbund mit der Nato beschworen, zeigte sich zugleich, dass sich die Konflikte zwischen den USA, Russland und China eher verschärfen.
Gabriel forderte die Europäer auf, als kraftvoller internationaler Akteur Signale der Entspannung zu setzen. "Europa ist nicht alles, aber ohne Europa ist alles nichts", sagte er. Gabriel warnte die EU-Staaten davor, Verantwortung zu scheuen und in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten. "Als einziger Vegetarier werden wir es in der Welt der Fleischfresser verdammt schwer haben", sagte er.
Mehrere Redner nutzten ihre Auftritte auf der 54. Münchner Sicherheitskonferenz allerdings für konfrontative Botschaften. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte die iranische Führung davor, ihren Einflussbereich in der Region weiter auf Kosten Israels auszubauen. Sein Land werde keine iranischen Stellungen im Nachbarland Syrien dulden und notfalls auch den Iran direkt angreifen: "Stellen Sie nicht unsere Entschlossenheit auf die Probe."
Russlands Außenminister Sergej Lawrow beklagte sich - wie bereits bei früheren Auftritten in München - über die schlechte Behandlung seines Landes durch den Westen. Misstrauen prägt insbesondere das Verhältnis zwischen Russland und den USA, vor allem wegen der Vorwürfe russischer Einflussnahme auf den US-Präsidentschaftswahlkampf. Solange "wir keine Fakten haben, ist alles nur Geschwätz", sagte Lawrow dazu.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hielt dem Nato-Verbündeten USA schwere Fehler in der Syrien-Politik vor. Es sei "skandalös und inakzeptabel", dass die USA im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz IS in Syrien weiter auf ein Bündnis mit der Kurdengruppierung YPG setze. Die Regierung in Ankara sieht in der YPG den syrischen Zweig der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in der Türkei als Terrororganisation verboten ist.
Der Syrien-Sonderbeauftragte der UNO, Staffan de Mistura, warnte insbesondere vor der Gefahr, dass sich der Syrien-Krieg zu einem internationalen Flächenbrand ausdehnt. "Dort sind große Länder beteiligt, und sie stehen sich sehr nahe gegenüber", sagte er am Sonntag. "Sie sind dafür verantwortlich, dass diese Lage nicht außer Kontrolle gerät."
Mehrere Teilnehmer aus EU-Ländern warnten insbesondere vor einer Dominanz Chinas. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte, die USA zögen sich immer mehr von der internationalen Bühne zurück, und dieses "Machtvakuum" werde von China gefüllt. Frankreichs Regierungschef Edouard Philippe sagte, Europa dürfe Peking nicht das Projekt einer "Neuen Seidenstraße" von China nach Europa und Afrika überlassen.
Dabei geht es um ein gigantisches Infrastrukturprogramm, das 2013 von Präsident Xi Jinping auf den Weg gebracht wurde. Es umfasst den Ausbau neuer Eisenbahnlinien, Straßen und Seewege. China will dafür mehr als eine Billion Dollar in rund 65 Ländern investieren.
(O. Petrow--BTZ)