Europa sucht den Schulterschluss - Misstrauen zwischen Russland und den USA
Angesichts einer zunehmend krisenhaften Welt haben die Europäer bei der Münchner Sicherheitskonferenz ihren Willen zu einer politisch und militärisch handlungsfähigeren Europäischen Union bekräftigt. Deutliche Worte fand am Samstag Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD), der angesichts der weltpolitischen Umwälzungen für ein starkes Europa warb, die Welt aber weiterhin vor einem "Abgrund" sah. Im Verhältnis zwischen den USA und Russland zeigte sich derweil altes Misstrauen.
"Europa ist nicht alles, aber ohne Europa ist alles nichts", sagte Gabriel. Berechenbarkeit und Verlässlichkeit seien derzeit "die knappsten Güter" auf der Welt. Umso mehr müssten die EU-Mitgliedstaaten in die Zukunft der Gemeinschaft investieren, um nicht in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten. Er forderte die EU-Mitgliedstaaten auf, ihre gemeinsamen Interessen in den Außenbeziehungen zu anderen Staaten zu definieren und Strategien und Instrumente zu entwickeln, um diese Interessen durchzusetzen.
In den vergangenen Jahren sei es "zu massiven Verschiebungen in unserer Weltordnung mit unabsehbaren Konsequenzen" gekommen, sagte Gabriel. Er werbe bei den EU-Partnern dafür, "dass wir unsere Zukunft gestalten und nicht erdulden". Wenn die freiheitliche Ordnung, wie sie in der EU bestehe, bröckele, würden andere "ihre Pfeiler" einziehen, warnte Gabriel. Niemand solle versuchen, die EU zu spalten - "nicht Russland, nicht China, aber auch nicht die Vereinigten Staaten".
Mehrere Teilnehmer aus EU-Ländern warnten insbesondere vor einer Dominanz Chinas. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte, die USA zögen sich immer mehr von der internationalen Bühne zurück, und dieses "Machtvakuum" werde von China gefüllt. Wenn früher davor gewarnt worden sei, dass die Großen die Kleinen fressen könnten, seien es nun "die Schnellen", die "die Langsamen" zu schlucken drohten.
Frankreichs Regierungschef Edouard Philippe sagte, Europa dürfe Peking nicht das Projekt einer "Neuen Seidenstraße" von China nach Europa und Afrika überlassen. Dabei geht es um ein gigantisches Infrastrukturprogramm, das 2013 von Präsident Xi Jinping auf den Weg gebracht wurde. Es umfasst den Ausbau neuer Eisenbahnlinien, Straßen und Seeverbindungen. China will dafür mehr als eine Billion Dollar in rund 65 Ländern investieren.
Kritik am Westen kam von russischer Seite. Außenminister Sergej Lawrow gab dem Westen die Schuld für die Verschlechterung der gegenseitigen Beziehungen, weil dieser "keinen goldenen Mittelweg" zu einer Entwicklung "zum beiderseitigem Vorteil" gefunden habe. Er verwies auf die in Russland als Demütigung empfundene Behandlung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 90er Jahren und auf die als Bedrohung empfundene Nato-Osterweiterung in jüngster Zeit.
Heute hingegen sei von "russischer Bedrohung" die Rede, und der gewachsene weltpolitische Einfluss seines Landes werde negativ bewertet. Seine Regierung sei aber weiterhin bereit für "einen offenen und von gegenseitigem Respekt geprägten Dialog mit der EU".
Misstrauen prägt dagegen weiter das Verhältnis zwischen Russland und den USA, insbesondere wegen der Vorwürfe russischer Einflussnahme auf den jüngsten US-Präsidentschaftswahlkampf. Lawrow tat Anschuldigungen der US-Justiz gegen 13 Russen wegen angeblicher Einmischung in die Wahl 2016 als "Geschwätz" ab. Solange "wir keine Fakten haben, ist alles nur Geschwätz", sagte Lawrow.
Die Beauftragte des US-Heimatschutzministeriums für Cybersicherheit, Jeanette Manfra, habe selbst dementiert, dass irgendein Land die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl beeinflusst habe. Seines Wissens habe sich vor auch US-Vizepräsident Mike Pence in diesem Sinne geäußert.
Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, H.R. McMaster, der nach Lawrow in München eine Rede hielt, widersprach dem russischen Chefdiplomaten. Am Freitag hatte der US-Sonderermittler in der Russland-Affäre, Robert Mueller, mitgeteilt, dass die US-Justiz 13 russische Staatsbürger und drei russische Unternehmen wegen einer mutmaßlichen Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016 angeklagt habe.
Die 54. Münchner Sicherheitskonferenz endet am Sonntag.
(S. Soerensen--BTZ)