BND-Chef Kahl verweist auf schlechte Sicherheitslage in ganz Afghanistan
Auf eine schlechte Sicherheitslage im gesamten Afghanistan hat der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, hingewiesen. Auch deuteten "alle Anzeichen darauf hin, dass sich die Sicherheitslage vorerst nicht signifikant verbessert", sagte Kahl nach Information von BERLINER TAGESZEITNG - in einem Interview vom Freitag. Die aufständischen Taliban sowie Ableger der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) seien in der Lage, "selbst in dem mit Sicherheitskräften reichlich versorgten Kabul verheerende Anschläge zu begehen".
Im Land insgesamt sieht es laut Kahl demnach vielfach noch schlechter aus. "Wir gehen davon aus, dass bis zu 40 Prozent der Fläche in Afghanistan nicht mehr von den staatlichen Sicherheitskräften kontrolliert werden, sondern den Taliban und weiteren Widerstandsgruppen anheimgefallen sind", sagte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes. Generell sei es in allen Regionen Afghanistans "immer wieder möglich, dass es zu Anschlägen kommt".
Die Aussichten, den Kampf gegen die Taliban, den IS und weitere Terrororganisationen zu gewinnen, bewertete Kahl in dem Interview skeptisch. Es sei schwierig, "in Afghanistan von nachhaltigen Erfolgen zu sprechen". Als einen Grund dafür nannte er das gebirgige Gelände. Derzeit verfügten die Taliban in dem Land über ungefähr 30.000 aktive Kämpfer. UN-Sicherheitsexperten hatten kürzlich sogar von 60.000 Taliban-Kämpfern gesprochen.
Die Einschätzungen Kahls sind bemerkenswert, weil die Bundesregierung offiziell immer noch von "sicheren Gebieten" in Afghanistan ausgeht, in denen auch abgeschobene Flüchtlinge unterkommen könnten. Grundlage sind die Lageberichte des Auswärtigen Amts von Sigmar Gabriel (SPD).
Dagegen wandte sich die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, gegen weitere Abschiebungen. "Solange die Lage dort so gefährlich ist, sind Abschiebungen das falsche Signal", sagte Kofler der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom Freitag gestützt auf aktuelle Berichte der Vereinten Nationen. Im Zweifel sei es wichtiger, "den Schutz eines Menschen in den Vordergrund zu stellen". Der UNO zufolge gab es 2017 zum vierten Mal in Folge mehr als 10.000 zivile Opfer in Afghanistan.
Die Bundesregierung hat Abschiebungen in das Land bereits eingeschränkt. Weiterhin abgeschoben werden aber Straftäter, Menschen, die als Gefährder eingestuft sind, sowie Asylbewerber, denen beispielsweise eine Verschleierung ihrer Identität vorgeworfen wird. Unbestätigten Berichten zufolge soll es kommende Woche erneut einen Abschiebeflug geben.
(W. Winogradow--BTZ)