Steinmeier erinnert Wissenschaft an "gesellschaftliche Verantwortung"
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat angesichts umstrittener Studien in der Autobranche an Wissenschaftler appelliert, sich ihre gesellschaftliche Verantwortung bewusst zu machen. "Wer als Forscher in unserem Land die Freiheit der Wissenschaft genießt, muss über das reine Erkenntnisinteresse hinaus gesellschaftliche Verantwortung annehmen", sagte Steinmeier laut Redetext am Donnerstag bei einem Besuch der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften, in Halle. Die Politik wiederum müsse die Freiheit der Wissenschaft schützen.
"Durch die jüngsten Fälle von fragwürdigen Studien, die im Zusammenhang mit der Manipulation von Abgaswerten im Automobilsektor stehen, ist die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit wissenschaftlicher Experten zum öffentlichen Gesprächsgegenstand geworden", sagte Steinmeier. Dies sei vielleicht ein Einzelfall, habe aber große Tragweite, "weil er von allen, die an der Delegitimierung von Wissenschaft interessiert sind, genutzt wird". "Wir leben in einer Zeit, in der die Relevanz der Wissenschaft auch in westlichen Gesellschaften in Zweifel gezogen wird", mahnte der Bundespräsident. Der sogenannte Kampf gegen das Establishment werde längst nicht nur gegen Politiker und Medien geführt, sondern sei auch in der Wissenschaft angekommen. "Wenn die Geltung, gar die Notwendigkeit von empirischer Forschung angezweifelt wird, dann heißt das nichts Gutes für die Zukunft einer aufgeklärten Gesellschaft", warnte Steinmeier.
Die aktuelle Diskussion sei für ihn ein guter Grund, daran zu erinnern, "wie eng Freiheit und Verantwortung auch in der Wissenschaft miteinander verbunden sind". Am Ende ersetze "nichts das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen". Er werde als Bundespräsident immer eine Lanze für die Freiheit der Wissenschaft brechen. Er baue aber zugleich darauf, "dass jeder Forschende sich seiner großen gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist". In Gesprächen der vergangenen Wochen habe er gespürt, "dass das Verantwortungsgefühl in der deutschen Wissenschaft zutiefst verankert ist".
(W. Winogradow--BTZ)