Ost-Ministerpräsidenten stellen sich hinter Nord Stream 2
Die Ministerpräsidenten der sechs Ostbundesländer halten an der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 fest. Sie halten es "für sinnvoll und richtig", dass das Projekt zu Ende geführt wird, wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Freitag nach dem Treffen mit seinen Länderkollegen sagte. Er sei sich mit den Ministerpräsidenten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern "sehr einig" gewesen, dass ein Ausstieg "erhebliche Konsequenzen" für die Energieversorgung hätte.
Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD), hatte ursprünglich angeregt, die Bundesregierung in einem Beschluss direkt dazu aufzufordern, an Nord Stream 2 festzuhalten. Dagegen stellten sich im Vorfeld der Konferenz die Grünen-Vizeregierungschefs der Ostländer mit Vehemenz. Schwesigs Bundesland ist von den sechs das einzige ohne grüne Regierungsbeteiligung.
Sie seien "empört" über den Beschlussvorschlag und wollten "deutlich intervenieren", erfuhr die Nachrichtenagentur AFP vor der Konferenz. Letztendlich wurde bei dem Treffen dann nur festgehalten, die Ministerpräsidenten hätten das Thema in einem Gespräch erörtert. Ein offizieller Beschluss wurde nicht gefasst.
Auch die Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny war laut Müller Thema bei dem Treffen. Es habe keine Differenzen dahingehend gegeben, dass das Thema aufgearbeitet werden müsse. Auch zeichne sich immer klarer ein Bild ab, "wer für diese Situation Verantwortung trägt", sagte Müller. "Das ist, glaube ich, auch unstrittig."
Untersuchungen in einem Bundeswehrlabor hatten ergeben, dass Nawalny mit einem Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Der Vorgang sorgt für erhebliche Spannungen im deutsch-russischen Verhältnis. Während die Bundesregierung von Moskau Aufklärung verlangt, weist die russische Seite jede Verantwortung zurück.
In der Debatte über Sanktionen gegen Russland wird teils auch ein Stopp von Nord Stream 2 gefordert. Durch die Pipeline soll russisches Gas direkt nach Deutschland geliefert werden. Derzeit ruht der Bau der 1230 Kilometer langen Gasleitung, weil die USA mit Sanktionen gegen die beteiligten Unternehmen gedroht haben. Zur Fertigstellung fehlen noch rund 120 Kilometer Leitung. Zielort ist Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern.
Befürchtet wird vor allem eine Schwächung alternativer Pipelines und traditioneller Transitländer, etwa der Ukraine. Auch den USA ist das Projekt ein Dorn im Auge. Die US-Regierung argumentiert, Europa begebe sich in eine Energieabhängigkeit von Russland.
Auch der Bundestag debattierte am Nachmittag über das Pipelineprojekt. Die Grünen-Bundestagsfraktion forderte in einem Antrag die Bundesregierung auf, dass sie sich "umgehend von der Pipeline Nord Stream 2 distanziert und die Fertigstellung über geeignete Maßnahmen verhindert". Zur Abstimmung kam es nicht, der Antrag wurde mit den Stimmen der übrigen Fraktionen in die Ausschüsse verwiesen.
Die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock sagte in der Debatte, die Pipeline "spaltet Europa". Das Projekt "untergräbt die strategische außenpolitische Souveränität und sie konterkariert die europäischen Klima- und Energieziele". Es sei für einen Stopp noch nicht zu spät.
Schwesig verteidigte dagegen auch im Bundestag das Vorhaben. Es sei nicht allein ein russisches Projekt, sondern ein "großes Infrastrukturprojekt im Interesse von Deutschland, von Westeuropa". Ihr Bundesland unterstütze die Energiewende, der Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie sei richtig. Gebraucht werde eine "echte Energiewende", sagte Schwesig. "Dazu gehört eine Übergangstechnologie - und das ist Gas."
(L. Andersson--BTZ)