Haiti: Oxfam-Verantwortliche treffen Ministerin wegen Sex-Skandal
In den Skandal um sexuelle Ausbeutung durch Oxfam-Mitarbeiter in Haiti hat sich die britische Regierung eingeschaltet. Entwicklungsministerin Penny Mordaunt setzte für Montag ein Treffen mit Verantwortlichen der Hilfsorganisation in London an und drohte, die Zusammenarbeit mit Oxfam zu beenden. Oxfam-Vorstand Caroline Thomson erklärte am Sonntag, später in der Woche sei außerdem ein Treffen mit der Wohltätigkeitskommission vorgesehen, die britische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kontrolliert.
In Thomsons Erklärung hieß es: "Es reicht nicht aus, über das Verhalten unseres ehemaligen Personals entsetzt zu sein. Wir müssen und werden daraus lernen und es als Ansporn zur Verbesserung nutzen." Oxfam werde die Vorfälle in Haiti erneut überprüfen. Dies sei Teil einer dieses Jahre begonnenen unabhängigen Untersuchung. Ziel sei es, unannehmbares Verhalten zu verbannen sowie die Rekrutierung und Auswahl des Personals zu verbessern.
Zuvor hatte Ministerin Mordaunt dem Sender BBC gesagt, sie wolle den Oxfam-Verantwortlichen die Möglichkeit geben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Sollten sie nicht alle Informationen zu der Affäre übergeben, werde ihr Ministerium nicht mehr mit Oxfam zusammenarbeiten. Das gelte auch für andere Hilfsorganisationen, die Informationen zurückhielten.
Die Ministerin warf Oxfam vor, sich falsch verhalten zu haben, als die Organisation den zuständigen Behörden und der Wohltätigkeitskommission detaillierte Informationen über den Fall vorenthalten habe. Bereits am Freitagabend hatte das britische Entwicklungsministerium kritisiert, Oxfam habe beim Umgang mit den Skandal einen "Mangel an Urteilsvermögen" gezeigt. Oxfam müsse zu den Vorgängen Stellung beziehen und die entsprechenden Akten überreichen.
Die "Sunday Times" berichtete, mehr als 120 Mitarbeiter von Großbritanniens führenden Hilfsorganisationen seien 2017 sexueller Übergriffe beschuldigt worden. Oxfam mit seinen etwa 5000 Mitarbeitern und 23.000 Freiwilligen habe im vergangenen Jahr 87 Fälle sexuellen Missbrauchs registriert. Davon habe die NGO 53 der Polizei gemeldet. Außerdem habe sie 20 Mitarbeiter oder Freiwillige entlassen.
Oxfam-Chef Mark Goldring erklärte am Samstag, weniger als zehn Prozent der gesamten Mittel der Organisation stammten aus dem Entwicklungsministerium. Zugleich äußerte er die Hoffnung, dass Oxfam die Zusammenarbeit mit dem Ministerium fortsetzen und seine Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zurückerlangen könne.
Nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG hatten Oxfam-Mitarbeiter während eines Hilfseinsatzes nach dem Erdbeben 2010 in Haiti Orgien mit jungen Prostituierten gefeiert. Eine 2011 eingeleitete interne Untersuchung habe eine "Kultur der Straflosigkeit" zutage gefördert. Oxfam teilte dazu mit: "Was in Haiti geschehen ist, war inakzeptabel und ein gravierender Verstoß gegen Oxfams Verhaltenskodex." Die Organisation bestritt zugleich den Vorwurf, dass die Vorfälle vertuscht werden sollten. Berichte, wonach minderjährige Prostituierte engagiert wurden, seien "nicht bewiesen". Prostituierte seien nicht aus Oxfam-Mitteln bezahlt worden, erklärte die Organisation. Aufgrund der besonderen Situation nach dem Erdbeben in Haiti sei "die örtliche Polizei nicht eingeschaltet" worden.
Der "Times" zufolge gab der Leiter von Oxfam in Haiti, Roland van Hauwermeiron, damals seinen Posten auf. Es seien keine Disziplinarmaßnahmen gegen ihn eingeleitet worden, obwohl er zugegeben habe, Prostituierte bezahlt zu haben.
Oxfam entließ nach eigenen Angaben wegen des Skandals vier der beschuldigten Mitarbeiter. Zwei weitere Oxfam-Angestellte kamen demnach ihrer Entlassung durch Kündigung zuvor.
Die Wohltätigkeitskommission gab an, von Oxfam im August 2011 einen Bericht erhalten zu haben. Darin war demnach die Rede von "unangemessenem sexuellen Verhalten, Einschüchterung und Belästigung". Dagegen seien "Missbrauch" von Oxfam-Nutznießern oder "mögliche sexuelle Vergehen gegen Minderjährige" nicht erwähnt worden. Hätte sie seinerzeit über "alle Einzelheiten" verfügt, die jetzt durch die Presse aufgedeckt worden seien, hätte sie sich anders verhalten, erklärte die Kommission am Samstag.
(O. Karlsson--BTZ)