Scholz gegen Bedenken der Union eines SPD-Finanzministers
Angesichts der heftigen Kritik in der Union an dem Verlust des Finanzministeriums an die SPD hat sich der mögliche neue Ressortchef Olaf Scholz bemüht, Sorgen besonders in der CDU zu zerstreuen. "Die Sozialdemokraten stehen für solide Finanzen", sagte der SPD-Vize nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem Interviw. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) versuchte mit Verweis auf den Koalitionsvertrag, Bedenken in den eigenen Reihen zu besänftigen.
Die SPD hatte in den Koalitionsverhandlungen mit der Union das bislang von der CDU geführte Finanzministerium erstritten. Besonders in der CDU rief dies massive Kritik hervor. Einerseits heißt es, der SPD sei mit diesem wichtigen Ressort zu viel zugestanden worden. Andererseits wird um das Erbe des früheren Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) und die Politik der "schwarzen Null" gefürchtet. "Es ist schmerzhaft, dass die Union nicht weiter den Finanzminister stellen kann. Ich kann die Enttäuschung verstehen", räumte Kauder in einem Interview ein. Wenn aber die Koalitionsverhandlungen und die Regierungsbildung am Ende an der Frage von Posten gescheitert wären, "hätten uns die Bürger eher für verrückt erklärt".
Kauder verwies zudem auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Dort sei festgelegt: "Keine neuen Schulden im Bundeshaushalt!" Alleingänge eines SPD-Finanzministers könne es da nicht geben.
Auch Scholz betonte, der Bundesregierung stünden in den nächsten vier Jahren insgesamt 1,4 Billionen Euro zur Verfügung. "Ansonsten sind wir auf zusätzliches Wachstum und daraus entspringende Steuermehreinnahmen angewiesen", sagte der Hamburger Bürgermeister, der beim Zustandekommen Finanzminister werden könnte. Bei allen zusätzlichen Wünschen müsse eine große Koalition "genau schauen, was wir uns leisten können und was nicht".
In der Union wird zudem ein Kurswechsel auf europäischer Ebene befürchtet, wenn ein Sozialdemokrat das Finanzressort leitet. Es bestehe die Gefahr einer Abkehr vom Stabilitätskurs in Europa und einer Vergemeinschaftung der Schulden, sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Christian von Stetten nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG in einem aktuellen Interview.
Der Gestaltungsanspruch der SPD für ein besseres Europa bedeute nicht, "dass der Weg in Richtung einer Transfer- und Schuldenunion geht", hob auch der CSU-Vizevorsitzende Manfred Weber in einem Interview hervor. Kauder verwies auch in diesem Punkt auf den Koalitionsvertrag. Dort stehe "klipp und klar": keine Schuldenunion in Europa.
Scholz sagte zur europäischen Haushalts- und Währungspolitik: "Wir wollen anderen europäischen Staaten nicht vorschreiben, wie sie sich zu entwickeln haben." Da seien in der Vergangenheit "sicherlich Fehler gemacht worden".
Die geschäftsführende Arbeits- und Familienministerin, Katarina Barley (SPD), sieht in der vereinbarten Ressortzuteilung einen Pluspunkt für das SPD-Mitgliedervotum über die Koalitionsvereinbarung. In dem Punkt habe die CDU "verloren", sagte Barley gegenüber Journalisten. Mit dem Finanz-, Arbeits- und Familienressort bestehe die große Chance für die SPD, soziale Politik aus einem Guss zu machen. Vor dem Zustandekommen einer großen Koalition muss die SPD Basis einem solchen Bündnis zustimmen.
(N. Nilsson--BTZ)